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Klaus Lederer, Berliner Senator für Kultur und Europa, bei der Pressekonferenz zur Halbzeitbilanz in die Senatsverwaltung in der Brunnenstraße in Prenzlauer Berg.

© dpa/Lisa Ducret

Halbzeitbilanz von Kultursenator Lederer: Freier Eintritt im Humboldt Forum? Für die Berlin-Schau erstmal nicht

Lauter Erfolge, so klingen Halbzeitbilanzen. Aber Berlins Kultursenator Klaus Lederer sagt auch: Die Atelier- und Kulturräume-Frage ist kompliziert. Und erst recht der freie Eintritt im Humboldt Forum.

Der zögerliche Kultursenator? Klaus Lederer kann nur lächeln, wenn er das hört. Da lässt er sich nicht beirren, weder bei der Volksbühne, noch bei der Frage der Vertragsverlängerung für Daniel Barenboim. Personalpolitik braucht geschützte Räume. Er wird keine Namen verbrennen, berät sich diskret, führt eine Menge Gespräche, gerade in der Staatsoper. Aber er befeuert keinerlei Spekulationen, sagt Lederer bei seiner Halbzeit-Bilanz.

Da wird Lederer deutlich, sehr deutlich: „Ich lasse mir bewusst Zeit, auch für konzeptionelle Rückfragen. Konzepte für ein Haus sollen auch funktionieren können.“ So viel verrät er dann doch: Bis zum Sommer sollen die Entscheidungen fallen, dann wird er die Öffentlichkeit gerne auch kurzfristig informieren, über die künftige Volksbühnen-Intendanz ab 2021 genauso wie über die Zukunft der Staatsoper ab 2022

Mittwochvormittag in der Kulturverwaltung in der Brunnenstraße. Draußen scheint die Sonne, drinnen gibts Kaffee und Kekse. Lederer und seine Staatssekretäre Klaus Wöhlert (Kultur) und Gerry Woop (Europa, Denkmalschutz, Religionen) sitzen vor kahlen Stellwänden: drei Herren im schwarzen Jackett, Lederer wie immer mit schwarzem T-Shirt darunter.
Es herrscht Amtsstubenflair, aber das macht nichts. Der Linken-Politiker wirbelt derart rasant durchs Programm, dass zusätzliche Sinnenreize nur stören würden. Den Lapsus mit dem „Kapellmeister auf Lebenszeit“ – die Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle haben Barenboim zum lebenslangen Chefdirigenten gewählt– überhört man da beinahe. Hoffentlich besagt er nichts über das Maß der Wertschätzung Barenboims: Der Generalmusikdirektor wird 80, wenn 2022 sein Vertrag ausläuft.

Bedrohte Freiräume, bedrohte Kunsträume: Das sind Anliegen Lederers

15 Minuten braucht Lederer für seine Tour de Force durch zweieinhalb Jahre Landeskulturpolitik, mit gefühlt 100 Punkten. Vom Programmatischen („Kultur ist zentral für Prozesse gesellschaftlichen Selbstverständigung“; „Es gibt keine Konkurrenz zwischen sogenannter Hochkultur, Freier Szene und kultureller Bildung“; „Wir wollen materielle und ideelle Hürden abbauen“) über die bedrohten Freiräume und die bedrohte Kunstfreiheit bis zu Tariferhöhungen (werden 100-prozentig ausgeglichen) und zum Standort für die neue Landesbibliothek.

Die Vertragsverlängerungen für Thomas Köhler als Direktor der Berlinischen Galerie und für Bernd Schmidt am Friedrichstadt-Palast. Die Doppelintendanz an der Komischen Oper, mit Barrie Kosky als Hausregisseur. Die tolle Arbeit von Lisa Marei Schmidt am Brücke-Museum. Die Rettung der Kudamm-Bühnen. Der Rückkauf des Radialsystems. Die Verdoppelung des Bezirkskulturfonds. Die Mittelaufstockung für die Kinder- und Jugendtheater. Die zusätzlichen Mittel von 20 Millionen Euro für die Freie Szene. Hinzu kommen die Abfederung der Brexit-Folgen für ausländische Bürger oder auch die für 2020 avisierte Grundsteinlegung für das interreligiöse House of One: Punkte, die Gerry Woop ergänzt. Wie es sich gehört für eine Bilanz, kommt man kaum nach vor lauter Erfolgen. Lederer, der Feuerkopf.

Schnell Ateliers anmieten? Das Land will den Immobilienhype nicht befeuern

Wobei der 45-Jährige die Vokabel „befeuern“ häufiger verwendet in dieser Medienrunde. Um zu erläutern, wo es noch hakt und was er gerade nicht zu befeuern gedenkt. Nein, die Kulturverwaltung wird den Immobilienhype nicht anheizen, indem das Land schnellschnell Ateliers anmietet oder die Differenz zwischen dem ausgleicht, was Vermieter fordern und Künstler zahlen können. Torsten Wöhlert erläutert den Zielkonflikt: Es kann nicht sein, dass ausgerechnet mit Steuergeldern überteuerte Mieten für die Kultur finanziert werden.

Die vor der Pforte der Senatsverwaltung von der „Aktionsgruppe Bildender Künstlerinnen“ verteilten Protestschreiben hat Lederer zur Kenntnis genommen. Er wird scharf, in der Sache, ein wenig auch im Ton. Er versteht die Appelle von Künstlern, die ihre Ateliers verlieren, aber er nimmt lieber eine „Delle“ von zwei bis vier Jahren zugunsten langfristiger Lösungen in Kauf, als kurzfristige Feuerwehraktionen zu unternehmen. Und: Partizipation, wie sie von der Szene ja gewünscht ist, dauert nun mal.
Das treibt Lederer offenbar mehr um als die gerade dringlichen Personalfragen: die Raumfragen. Uferhallen, Atelierhaus Prenzlauer Promenade, Haus der Statistik, das Rockhaus in Lichtenberg: Wie kann das Land Kulturorte retten, stabilisieren und neue schaffen, ohne dass die Kultur selber dafür finanziell bluten muss?

Beim Humboldt-Forum fühlt sich Lederer von Grütters über den Tisch gezogen

Die gleiche Crux gibt es beim freien Eintritt fürs Humboldt Forum. Da fühlt sich Lederer von Kulturstaatsministerin Monika Grütters über den Tisch gezogen. Das Schloss gratis zugänglich, das bedeutet auch freien Eintritt bei der vom Land finanzierten Berlin-Ausstellung. Die Einnahmeverluste sollten bei den Betriebskosten ausgeglichen werden, so habe der Bund es in Aussicht gestellt. Als "erhebliches Entgegenkommen", sagt Lederer.
Vor vier Wochen wurde dem nun eine Absage erteilt. „Ich werde den freien Eintritt nicht auf Kosten der Kinder- und Jugendtheater oder der Freien Szene bezahlen“, schimpft der Kultursenator. Auch nicht mit dem geplanten Berliner Museumstag, jeden ersten Sonntag im Monat.

Aus Grütters’ Behörde heißt es, die Erwartung eines so großen Entgegenkommens sei unangemessen. Der Ausgleich der Berliner Betriebskosten durch Bundesmittel wurde nicht von Grütters' kassiert, sondern von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) abgelehnt. Mit der Begründung, dass Berlin ja schon um zwei andere Humboldt-Forum-Beteiligungen entlastet worden sei, um sieben Millionen Euro für den Umzug der Dahlemer Museen und um den Sitzland-Anteil bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mehrere Millionen Euro pro Jahr.

Das klingt nach handfestem Krach. Sonst verstehen Lederer und Grütters sich eigentlich gut. Der Bund kümmert sich auch federführend um die Suche nach einem Nachfolger für Hubertus Knabe an der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen.

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