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Danielle, Alana und Este Haim haben ihre ganz eigene Vorstellung von Westcoast-Rock.

© Promo

Haim in der Columbiahalle: School of Rock für Spätgeborene

Die drei Schwestern von Haim geben ein beglückendes und mitreißendes Konzert in der Berliner Columbiahalle.

Es kostet schon einiges an Überwindung, sich an diesem warmen Sommerabend mit ein paar Tausend Menschen in einen Betonbackofen namens Columbiahalle zu quetschen, statt in einem Biergarten, einem Park oder auf dem Balkon zu sitzen und Kaltgetränke zu genießen. Der Widerwille verfliegt dann schnell, denn das überwiegend weibliche, junge Publikum erfüllt die Halle mit einer ansteckenden Vorfreude. Einige der Hintergrundbeschallungslieder werden mitgesungen, Whitney Houstons „I Wanna Dance With Somebody“ sogar richtig gut und laut. Die meisten Fans dürften noch Kleinkinder gewesen sein oder nicht mal geboren als der Song 1987 herauskam – genau wie die drei Haim-Schwestern, die ebenfalls ein großes Herz für Eighties-Pop haben.

Und das pocht dann auch gleich mächtig los, als die Band zu rot pulsierendem Licht und tiefen Boom-Boom-Beats auf die Bühne kommt. Am Rand stehen drei aufrechte Bassdrums mit jeweils ein bis drei kleineren Trommeln, auf denen die Schwestern ein fulminantes Kurz-Intro zusammenhämmern. Fast übergangslos hängen sie sich danach ihre Gitarren um, um wieder ganz vorn eine angeraute Version ihres Hits „Falling“ rauszufeuern – inklusive eines sexy Mini-Solos von Danielle Haim an der Gitarre, unglaublichen Grimassen von Este Haim am Bass und einem Mitklaschteil vor dem Finale. Wow, so eröffnet man eine Rockshow.

Die Schwestern rocken ohne Videos oder Lichtschnickschnack

Bis in die letzte Reihe der Empore sind alle wie elektrisiert, was sich für die nächsten eineinhalb Stunden dieser beglückenden Show auch nicht mehr ändern wird. Dafür sorgt das kalifornische Trio, das von einem Schlagzeuger und einem Keyboarder begleitet wird, mit einer stets unter Spannung stehenden aber nie überspannten Performance. Sie brauchen dazu keine Videos oder Lichtschnickschnack, sie können auf die Stärke ihrer Songs vertrauen – und auf ihre perfekt austarierte Schwesterndynamik. Keine der drei versucht sich in den Vordergrund zu spielen, alle wollen nur dem Ganzen dienen. Danielle steht zwar in der Mitte und übernimmt meist den Leadgesang, doch erst im Wechselspiel der Stimmen der Schwestern und ihrer Instrumente entsteht die Haim-Magie.

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Das zeigt auch die Geschichte, die Alana, die Jüngste, zwischendrin erzählt. Sie es gewesen, die immer an diesen einen langsamen Song geglaubt habe, zu dem sie den coolen Anfangs-Sound beigesteuert hat – sie fährt das Sample ab. Und endlich war die Band überzeugt. Este, die Älteste, bezeichnet ihre Ausführungen als „lustiges Märchen“, denn schließlich verleihe ja wohl erst ihr Slap-Bass dem Stück die nötige Funkyness. Natürlich haben beide recht, denn „I Want You Back“, die großartige erste Single des aktuellen zweiten Haim-Albums „Something To Tell You“ funktioniert nur in der Kombination ihrer Elemente. Wozu auch der eindringliche Refrain gehört, den die Fans in der Columbiahalle a cappella hervorragend hinbekommen.

Einflüsse von George Michael bis Fleetwood Mac

Ein Block mit Stücken der neuen Platte bildet den Mittelteil des Konzertes. Danielle, die zur schwarzen Hochwasser-Lackhose ein hässliches gelbes Schlabbershirt trägt, spielt jetzt Akustikgitarre und lässt „Ready For You“ ein wenig wie „Faith“ von George Michael klingen. Auch „You Never Knew“ führt in die Achtziger, wobei der hohe Fleetwood-Mac-Faktor live etwas geringer ausfällt – nur die verhallten Background-Stimmen von Alana und Este klingen immer noch wie eine Hommage an Stevie Nicks. Hier passt dann auch mal die Sound-Mischung, sonst sind oft die Stimmen zu leise. Dasselbe gilt für Danielles rote Gibson SG, was besonders bei ihrem frühen Hit „Forever“ ärgerlich ist.

Gut ausgesteuert sind dann die Zugaben, wobei „Right Now“ deutlich leidenschaftlicher und rockiger ausfällt als auf dem Album. Danielle gießt ihr Liebesleid in ein Solo voller gedehnter Klagelaute und kurzer Wutriffs. Die Katharsis erfolgt dann aber erst im Finale zusammen mit Este und Alana – wieder an den Trommel, diesmal im Bühnenhintergrund. Toll. Und beim nächsten Mal dann bitte Open-Air.

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