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György Kurtág im Jahr 2009 während eines Meisterkurses.

© dpa

György Kurtág: Störrische Stimmen

Das Ensemble Unitedberlin gratuliert György Kurtág zum 90. mit einem Konzert.

Drei Streicher: Geige, Bratsche, Cello. Einstimmig, mit langen Notenwerten, verhauchend gespielt. Die Harmonien reiben sich, bis es prickelt. Dann die Emanzipation der Geige, die als eloquente Stimme hervortritt, die beiden anderen tun es ihr bald nach. Das Ensemble Unitedberlin gratuliert, charmant verspätet, György Kurtág zum 90. Geburtstag mit dem Streichtrio seines Lehrer Sandór Veress von 1954. Der träumerische Charakter des Andante weicht rhythmischen Experimenten im zweiten Teil. Das Klangbild wird perkussiver, kaum berühren die Bogenhaare die Saiten. Einzelne, entschlossen gezupfte Töne heben ihr Haupt.

ie Ästhetik des Augenblicks, die sich mehr auf die einzelne, klangliche Sensation statt auf lange Bögen konzentriert, die äußerste Verdichtung, Verknappung des musikalisch Gesagten, darin eingeschlossen Skrupel und Selbstkritik: Damit sind wir schon ganz bei Kurtág und dessen vier Liedern für Sopran auf Verse von Anna Achmatowa. „Es kommt die Nacht/die kein Morgen kennt/sie währt für immer“. Alexandra Lubchansky singt markant auf Russisch, schmiegt sich dem Charakter jedes dieser Liebes- und Todeslieder an, die erstmals überhaupt in Berlin zu hören sind. Das Ensemble (Leitung: Andrea Pestalozza) begleitet mit mächtigem Schlagwerk, Windmaschine und Sirenen, dazu Bläser. Ein sehr hartes Klangbild. Nur zwei Streicher, Bass und Bratsche, mit ersterbenden, körperlosen Flageolett-Tönen.

Donnerakkorde vom Schlagwerk

Peter Eötvös hat wie Kurtág an der Budapester Akademie studiert. Sein „da capo“, ebenfalls eine Berliner Erstaufführung, ist melodischer gedacht als die beiden Vorgängerwerke. Solistin Enikö Ginzery am Cimbalom bringt einen anatolischen Klangschatten ins Stück. Aus dem dicht gewebten Tongeflecht schimmern Fragmente von Mozart hervor, ein, zwei Takte nur, bevor Eötvös’ Stimmen ihren eigenen Weg gehen, störrisch, bockig. Auch Kurtág erweist einem Klassiker seine Referenz, mit dem Klavierstück „... quasi una fantasia ...“ (1987). So hatte Beethoven das Werk betitelt, das später als „Mondscheinsonate“ berühmt wurde. Jetzt sind Streicher und Bläser im Raum verteilt, vom massivem Schlagwerk auf dem Podium kommen Donnerakkorde, als würden Riesen schreiten. Das Klavier (Yoriko Ikeya) antwortet als zaghafter Gegenpart, ihm sekundieren die Streicher. Das Cello verdämmert, als sei’s ein Nebelhorn, das sich entfernt. Kurtág lässt zwei Prinzipien gegeneinander antreten. Und braucht dafür keine zehn Minuten.

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