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Blick in die Dauerausstellung der Plastiken von Gustav Seitz (1906-1969) im Gustav Seitz Museum in Trebnitz, Müncheberg.

© Franziska Mandel

Gustav Seitz Museum Trebnitz: Bronzen haben Platz

Der Bildhauer Gustav Seitz galt als „Wanderer zwischen den Welten“. Nun lagert sein Nachlass im kleinen Trebnitz. Der Ort hätte ihm gefallen

Gustav Seitz brauchte frische Luft und Grün - auch für seine Inspiration. „Immer gehe ich bei meinen Arbeiten von der Natur aus, die mich umgibt“, schrieb der Bildhauer rückblickend. Mit 19 Jahren war der gebürtige Mannheimer zum Studium nach Berlin gekommen. Zunächst, bis 1950, wohnte er im Westen der Stadt, dann zog er nach Pankow. Sicher hat er damals Ausflüge ins Umland unternommen. Ob es ihn dabei aber jemals nach Trebnitz verschlug, ist fraglich. Denn was sollte der Künstler in den fünfziger Jahren in diesen abgelegenen Dorf in Märkisch- Oderland? Der letzte Schlossbesitzer war 1945 enteignet worden, das Gebäude längst zweckentfremdet, der vormals schöne Park verwildert.

Heute würde sich Gustav Seitz wohl in den Ort verlieben. „Hier begegnen sich Menschen aus der Region, aus Europa und der Welt“, heißt es im Flyer von „Schloß Trebnitz, Bildungs- und Begegnungszentrum e.V.“ Und der Leiter, Dariusz Müller, sorgt so umsichtig wie herzlich dafür, dass es genauso passiert. Auch, dass der komplette Nachlass des 1969 verstorbenen Bildhauers in Trebnitz gelandet ist, hat Müller eingefädelt. Es traf sich perfekt: Die Stiftung suchte neue Räumlichkeiten für Seitz' Werke, Müller hatte Platz im gerade fertig restaurierten Alten Waschhaus auf dem Schlossgelände. Also: Her mit der Kunst.

Gustav Seitz Museum in Trebnitz. Öffnungszeiten: Mittwoch – Sonntag:11 – 17 Uhr und nach Vereinbarung unter 033477-549770 oder info@gustav-seitz-museum.de
Gustav Seitz Museum in Trebnitz. Öffnungszeiten: Mittwoch – Sonntag:11 – 17 Uhr und nach Vereinbarung unter 033477-549770 oder info@gustav-seitz-museum.de

© Wolfgang van Gulijk

Seitz war zeitlebens ein Wanderer zwischen den Welten. 1946 erhält er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Plastisches Gestalten an der TU Berlin, ein Jahr später wird er Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Charlottenburg. Im Auftrag der Vereinigung „Opfer des Faschismus“ entwirft er ein „Totenmal“ für die im KZ-Außenlager von Weißwasser (Sachsen) umgekommenen Häftlinge. Die in Zement geformte Szene: Eine aufrecht stehende, starke Frauenfigur hält einen toten, völlig ausgemergelten Menschen im Arm. Ein Denkmal voller Kraft. Dafür sollte Seitz im August 1949 in Weimar den Nationalpreis erhalten.

Umzug nach Pankow - Berufsverbot in Charlottenburg

Doch die Zeiten waren schwierig. Die Bundesrepublik Deutschland war bereits gegründet, die DDR war dabei, sich eine Verfassung zu geben. Die Teilung des Landes war vollzogen. In West-Berlin verübelte man dem Künstler, dass er die (DDR-) Auszeichnung annehmen wollte. Die Stimmung war angespannt. „Soeben erfuhren wir, daß die Amis unserem Thomas Mann das Visum nach Weimar verweigert haben. Wo man hinschaut, wird nur Haß und Zwietracht gesät“, schreibt Seitz in einem Brief. Der Bildhauer will sich von niemandem vereinnahmen lassen, nimmt sich die Freiheit, selbst zu entscheiden. Er wird Mitglied in der Deutschen Akademie der Künste (DDR) und leitet dort ein Meisteratelier für Bildhauerei. Es folgt der Umzug nach Pankow. Die Folge: Hausverbot an der Charlottenburger Lehranstalt. Seitz sitzt zwischen den Stühlen. „Hier im Osten werde ich als Bürger angesehen, als ein politisch uninteressierter Bildhauer, dem man allenfalls etwas Narrenfreiheit zugesteht, im Westen aber als Kommunist.“ Je mehr sich die Fronten verhärten, umso mehr leidet Seitz. „Im Osten bemühe ich mich, die Moderne durchzusetzen, im Westen bekomme ich stets eine auf den Kopf geschlagen“, schreibt er 1951.

Blick in die Dauerausstellung des Gustav Seitz Museums in Trebnitz.
Blick in die Dauerausstellung des Gustav Seitz Museums in Trebnitz.

© Wolfgang vanGulijk

Gezerre gibt es auch um das Ehrenmal für Käthe Kollwitz. 1956 erteilt der Magistrat von Berlin Gustav Seitz den Auftrag. Er skizziert Entwürfe auf Papier, verschiedene Varianten einer sitzenden, alten Frau in Ton und Gips entstehen. Im Juli 1958 teilt er dem Kulturfonds der DDR mit, dass die Plastik (Höhe 2,10 Meter) bereit sei für den Bronzeguss. Wenige Monate später aber nimmt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Bildhauerei in Hamburg an. Dem Kulturfonds schreibt er: „Durch diesen Wechsel muss ich damit rechnen, dass Sie vielleicht auf die endgültige Ausführung meines Denkmalentwurfs verzichten werden.“ Er irrt, wenn auch noch anderthalb Jahre ins Land gehen werden, bis die Bronzefigur am Kollwitzplatz aufgestellt wird. Der Bildhauer wurde darüber nicht informiert.

1969 stirbt Gustav Seitz in Hamburg, durch testamentarische Verfügung seiner Witwe wird 1989 die Stiftung Gustav Seitz gegründet. Seit 2017 lagert der Nachlass nun in Trebnitz - ein Gustav Seitz Museum entstand. „Wir haben rund 110 plastische Werke, fast alle originalen Gipsmodelle und etwa 4000 Zeichnungen“, sagt Wolfgang van Gulijk vom Vorstand der Stiftung.

Gustav Seitz: Käthe Kollwitz.
Gustav Seitz: Käthe Kollwitz.

© Wolfgang van Gulijk

Die Schätze werden nun in wechselnden Ausstellungen präsentiert. Noch bis Ende März 2020 läuft „Gustav Seitz und Werner Stötzer. Meister der Figur“ [Trebnitz, Mittwoch – Sonntag 11 – 17 Uhr und nach Vereinbarung
unter 033477-549770 oder info@gustav-seitz-museum.de], mit Fingerspitzengefühl kuratiert von Annette Purfürst. Werner Stötzer war einer von Seitz' Meisterschülern. Er hatte dessen 1947 geschaffene „Eva“ in der Nationalgalerie gesehen - und war tief beeindruckt. Stötzer will - und darf von Seitz lernen. Vier Jahre lang - bis 1958, als Seitz nach Hamburg geht. Der erfahrene Bildhauer wusste offenbar gut mit seinem Schützling umzugehen. Stötzer schreibt: „Seitz mochte Individualität plus Bedingungen, aber zuerst versuchte er, mein Tagesgeschrei zu beruhigen, zu meinem Glück!“ Seitz schwärmt geradezu: „Werner Stötzer ist ein eigenartig und hochbegabter Künstler, unter allen Schülern, die ich je gehabt habe, einzigartig.“ Oft soll er sich mit seinen Meisterschülern im Theater am Schiffbauerdamm aufgehalten haben, um Brecht bei der Arbeit am „Kaukasischen Kreidekreis“ zu beobachten.

Gustav Seitz: "Sappho" vor dem Gustav Seitz Museum in Trebnitz
Gustav Seitz: "Sappho" vor dem Gustav Seitz Museum in Trebnitz

© Wolfgang van Gulijk

Nun können die Werke beider Bildhauer gleichsam im Zwiegespräch miteinander betrachtet werden. Man kann mutmaßen, wo der Meister den Schüler inspirierte und wie Stötzer, der seinen Lebensmittelpunkt im nahen Altlangsow hatte, seinen eigenen Stil entwickelte. Während Seitz figürlich blieb, verlegte sich Stötzer immer mehr aufs Abstrakte.

Langsam spricht sich herum, dass hier, unweit von Neuhardenberg, eine spannende Kulturadresse existiert. Ein friedlicher Ort zum Innehalten, an dem man freilich nicht darben muss. Kuchen, Suppen und Snacks gibt es in einem kleinen integrativen Café.

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