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Drei Trophäen für "The Power of the Dog", drei für Spielbergs "West Side Story" - und Hollywood boykottiert, so die Globes-Bilanz 2022.

© AFP/Emma McIntyre

Großer Schatten auf umstrittener Preisverleihung: Die Golden Globes laufen unter dem Radar

Jane Campions Western-Drama „The Power of the Dog“ gewinnt den Globe 2022. Aber der verleihende Verband erholt sich nicht von der massiven Kritik. Ein Kommentar.

Es ist ein seltsamer Tag für den US-amerikanischen Film: In den sozialen Medien schlug der Tod des Komikers und "Full House"-Stars Bob Saget höhere Wellen als die 79. Verleihung der Golden Globes.

Dass mit Jane Campions großartigem Western-Drama „The Power of the Dog“ zum zweiten Mal in der Globes-Geschichte eine Frau die Trophäe in der Hauptkategorie gewann und ihre Netflix-Produktion außerdem den Sieg bei der Regie und mit Kodi Smit-McPhee in den Nebendarsteller-Kategorie davontrug; dass außerdem Steven Spielbergs Musicaladaption „West Side Story“ drei Trophäen abräumte (für die beste Komödie und die Haupt- und Nebendarstellerinnen Rachel Zegler und Ariana DeBose), im Vergleich zur traurigen Saget-Nachricht fast unter dem Radar.

Kein Wunder, denn die Globes waren in jüngster Zeit heftig in die Kritik geraten. Die Folge: Erstmals in der Geschichte des Verbands der Auslandpresse (HFPA), deren jetzt 103 Mitglieder die Preise vergeben, ging die Verleihung ohne Gala und TV-Ausstrahlung über die Bühne.

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So gab es kein traditionelles Champagner-Gelage im Beverly Hilton Hotel, keine Fernsehübertragung auf NBC mit Millionenpublikum wie seit 25 Jahren üblich, nicht einmal einen Livestream auf der Globes-Webseite, sondern nur eine kleine Feier mit Verbands-Mitgliedern und Spendenempfängern, die die Gewinner bekanntgaben, sprich, eine no show. Die Globes sind tot, hieß es zuletzt immer wieder.

Bestechlichkeit, Rassismus, Sexismus, mangelnde Diversität und Transparenz, so lauteten die Vorwürfe. Die letztjährigen Moderatorinnen Amy Poehler und Tina Fey hatten den Verband während der Verleihung unverblümt kritisiert. Zwar wurden daraufhin neue Vorstände gewählt und 21 neue Mitglieder aufgenommen, darunter sechs Afroamerikaner:innen – über viele Jahre hatte es keine People of Color in der Journalistenjury gegeben.

Auch wurde versucht, das Image mit dem Hinweis auf das philanthropische Engagement der HFPA  aufzupolieren. Seit 1996 habe die Hollywood Foreign Press Associaton mehr als 50 Millionen Dollar an Dutzende Wohltätigkeitsorganisationen gespendet, sagte die neue Verbandspräsidentin Helen Hoehne.

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Aber obwohl laut Hoehne in den letzten neun Monaten „hart daran gearbeitet“ worden war, die Organisation zu reformieren und umzustrukturieren, wandte Hollywood sich ab. Tom Cruise gab seine drei Globes zurück, Stars wie Scarlett Johansson und Mark Ruffalo kündigten an, die Verleihung zu boykottieren. Auch die Streamingplattform Netflix – die mit Serien wie „The Crown“ zu den großen Gewinnern 2021 gehörte -, ging auf Distanz.  

Stars riefen zum Boykott auf, auch Netflix ging auf Distanz

Nun ist Campions Western mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle wie gesagt eine Netflix-Produktion. Dennoch setzte der Streamingdienst keinen Tweet zum Globes-Gewinn ab. So setzt sich.die 2021er-Serie der Frauen-Gewinne bei den wichtigsten Filmpreisen – nach dem Oscar für Chloé Zhaos "Nomadland" gingen die Goldene Palme in Cannes und der Goldene Löwe in Venedig sowie der Europäische Filmpreis an Produktionen von Regisseurinnen zwar fort. Dennoch fällt wegen des inzwischen äußerst umstrittenen Verbands ein trübes Licht auf die goldene Weltkugel für die Neuseeländerin.

Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass weniger pandemiebedingt auf die Gala verzichtet wurde als aus besagten Boykott-Gründen: Wer will so eine in Misskredit geratene Show schon noch moderieren oder mit seiner Anwesenheit aufwerten? In den sozialen Medien applaudierte der Auslandspresse-Verband sich denn auch weitgehend selbst.

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Der dritte Globe (nach „König der Löwen“ und „The Gladiator“) für den deutschstämmigen Filmmusik-Starkomponisten Hans Zimmer und den Soundtrack von Denis Villeneuves Sci-Fi-Blockbuster „Dune“ (der ansonsten leer ausging), drei Serien-Preise für die dritte HBO-Staffel der Reichen-Satire „Succession“, Trophäen auch für Will Smith und Nicole Kidman in den Filmen "King Richard" und "Being the Ricardos", - all das spielt nun in der öffentlichen Aufmerksamkeit in den USA nur eine nachgeordnete Rolle. Auch die TV-Schauspielerpreise für Kate Winslet („Mare of Easttown) und Michael Keaton („Dopesick“) oder der Fremdsprachen-Film-Globe für „Drive My Car“ wurden weniger beachtet als die Gewinner in den Jahren zuvor. Auch kann die Tatsache, dass unter anderem mit Will Smith, Rachel Zegler und Adriana DeBose People of Color wichtige Preise davontrugen, den Ruf des Verbands derzeit kaum aufbessern..

Gewinnt Campions "Power of the Dog" am Ende auch den Oscar?

Keiner der Stars war zu der bescheidenen Gala persönlich erschienen, auch nicht Kenneth Branagh, Regisseur des zweiten Favoriten-Films "Belfast", der wie „The Power of the Dog“ siebenfach nominiert war. Das autobiografische Irland-Drama in Schwarz-Weiß gewann lediglich den Drehbuchpreis.

Traditionell gilt die Globes-Gala mit Preisen in 25 Kategorien für Kino- und TV-Produktionen als die kleine Schwester der Oscar-Verleihung. Und vor allem als Vorbote für die Academy Awards. Im letzten Jahr zum Beispiel ging der Oscar nach dem Globe-Sieg an Chloé Zhaos „Nomadland“, dem ersten Globes-Gewinnerfilm einer Frau überhaupt. Zhao war auch erst die dritte Frau, die mit einem Globe für die beste Regie ausgezeichnet wurde.

Klar ist, dass „The Power of the Dog“ und Spielbergs „West Side Story“ auch bei den Oscars 2022 eine Rolle spielen werden. Die Nominierungen werden am 8. Februar bekanntgegeben, die Verleihung soll am 27. März stattfinden. Unter welchen Bedingungen, ob als Präsenz-Gala, hybrid oder weitgehend online, ist angesichts der Omikron-Welle derzeit noch offen. Und die 80. Globes, im Jubiläumsjahr 2023? Ob diese Gala überhaupt noch stattfindet, wird gerade von vielen bezweifelt.

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