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ADHS als Bühnenshow. Die Sängerin Grimes ist derzeit auf Europa-Tour.

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Grimes live im Astra: Höllenritt mit Manga-Girl

Produktive Hyperaktivität: Die Kanadierin Grimes bewies bei ihrem Auftritt im Berliner Astra enorme Fitness und mitreißendes Talent.

Mittwochabend, die Hälfte der Woche ist geschafft, Müdigkeit macht sich in den winterstarren Gliedern breit. Es ist nicht immer leicht, sich bei Nieselregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt abends noch zu einem Konzert zu schleppen. Geht es um einen Auftritt von Claire Boucher, besser bekannt als Grimes, darf man aber sicher sein: Die kanadische Künstlerin bringt mehr als genug Energie für einen ausverkauften Konzertsaal mit, und jeder bekommt eine Dosis ab. Auf ihrer “Ac!d Reign”-Tour machte sie nun Halt in Berlin.

Das vor allem englischsprachige Publikum muss zunächst eine ganze Weile ausharren. Vermutlich spült Grimes backstage drei Kübel Energy-Drinks runter und bringt sich mit einer Nintendo-Runde "Legend of Zelda" in Fahrt. Von dem Moment an jedenfalls, in dem die schlaksige Sängerin vor das Publikum tritt, unterstützt durch Musikerin Hana und zwei Tänzerinnen, bricht es aus ihr heraus. Das volle Programm: hier eine Riesenladung quietschiger J-Pop aus Tokio und K-Pop aus Seoul, dort ein wenig Dubstep und R&B, dazwischen knattert eine E-Gitarrensalve.

Marie Antoinette im Technofieber

Gegen diesen fein arrangierten Sound kann man sich kaum wehren, er macht wirklich süchtig. Und das Gesamtpaket erst. Grimes’ (derzeitige) Ästhetik ist ein Puzzle aus Sophia Coppolas Kostümkracher "Marie Antoinette", schrägem Steampunk und 90er-Technokitsch. Wer so furchtlos und gekonnt Stile und Jugendkulturen remixt, bekommt Aufmerksamkeit in der schnell gelangweilten Pop-Welt. Sogar als "neue Madonna" feierte sie das Zeit-Magazin im vergangenen Sommer.

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Die großen Erwartungen erfüllt Grimes' Stimme nicht nur auf den vier Alben, sondern auch live: Sie kiekst wie ein Manga-Girl in "Flesh without Blood". Sie kreischt sich bei "Scream" die Seele aus dem zarten Leib. Schuberts "Ave Maria" haucht sie a capella wie eine Klosterschülerin - wofür es aber ein, zwei Anläufe braucht. Das Publikum nimmt es ihr nicht übel. Zu wahnsinnig ist dieser Höllenritt auf der Bühne, auch eine Grimes muss mal Luft holen.

ADHS als Bühnenshow

Nur bleibt ihr dafür kaum Zeit: singen, die Synthies bearbeiten, plappern, herumspringen, sich verrenken, alles geben, Madonna sein. ADHS als Bühnenshow, ein irrer Spaß. Und während man so dasteht und sich fragt, wie lange die Frau das durchhält, fängt man schon wieder an zu hüpfen und die Arme nach oben zu schmeißen. Noch müde? Grimes hätte da was.

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