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Slick war auch Teil der Bands Jefferson Starship und Starship.

© AFP/Lucy Nicholson

Grace Slick wird 80: Die Hippie-Heldin

Mit ihrer Stimme machte Grace Slick die Folkrock-Band Jefferson Airplane zu einem psychedelischen Ereignis. Heute wird die Musikikone 80 Jahre alt.

LSD war noch nicht erfunden, als Lewis Carroll „Alice im Wunderland“ schrieb. Dabei erlebt die Titelheldin seines 1865 erschienenen Buchs einige Abenteuer, die so bizarr sind, dass sie durchaus auf den Konsum bewusstseinserweiternder Substanzen zurückzuführen sein könnten.

Alice folgt einem sprechenden weißen Kaninchen in seinen Bau, trinkt einen Zaubertrunk, der sie auf Miniaturgröße schrumpfen lässt, und kriecht durch eine winzige Tür in eine Gegenwelt, in der sie einer Grinsekatze, einem Schildkrötensupperich und dem verrückten Hutmacher begegnet.

„White Rabbit“ heißt der Song, mit der Grace Slick ziemlich genau hundert Jahre später Alice, dem sprechenden Kaninchen und ihrer Reise durch Zeit und Raum huldigte. Nur dass es diesmal keine magische Flüssigkeit aus einem Fläschchen ist, die zur Metamorphose führt. Sondern eine Pille, genauer gesagt: mehrere Pillen. „One pill makes you larger, and one pill makes you small“, singt Slick zum Marschrhythmus einer Trommel.

Später schnarrt eine E-Gitarre, und die Sängerin erzählt von rauchenden Raupen, Männern auf einem Schachbrett und einem rückwärts sprechenden Ritter. Ins Crescendo des Finales hinein ruft sie: „Feed your head, feed your head.“ Wer seinen Kopf mit der halluzinogenen Modedroge LSD füttert – davon war die Gegenkultur damals überzeugt –, vergrößert seine Wahrnehmung.

Geschrieben hatte Grace Slick „White Rabbit“ 1965 angeblich innerhalb von einer Stunde für ihre Band The Great Society, zum Hit wurde das Stück aber erst, nachdem sie es zwei Jahre später noch einmal mit ihrer neuen Gruppe Jefferson Airplane aufnahm. „White Rabbit“, das die Freiheit und Entgrenzung feiert, stieg zur Hymne der Hippie-Generation auf, ähnlich wie „Me And Bobby McGee“ von Janis Joplin oder „Eight Miles High“ von den Byrds.

Sie überstrahlte alle

Die Band stammte aus San Francisco, dem Epizentrum der Bewegung. Als sie im August 1969 in den frühen Stunden des zweiten Festivaltags in Woodstock auftrat, nach The Who und Sly & the Family, begrüßte Slick das Publikum mit den Worten „Jetzt habt ihr die Heavybands gesehen, nun werdet ihr manische Morgenmusik erleben.“

Grace Slick, die 1939 in der Nähe von Chicago geboren wurde, hatte vor ihrer Musikkarriere ein paar Jahre als Model gearbeitet. Ihr lodernder Altgesang machte aus dem Folkrock von Jefferson Airplane ein psychedelisches Ereignis.

Diese Stimme sei „eines der wichtigsten Statements einer weiblichen Künstlerin in den Sechzigern“ gewesen, sagte Patti Smith. „Wenn wir von Rock’n’Roll reden und dem, was er verkörpert, dann hat es nur Grace Slick geschafft, mit ihren männlichen Kollegen mitzuhalten.“

Mit ihrem Charisma überstrahlte Slick die Gitarristen Marty Balin und Paul Kantner, die die Gruppe gegründet hatten. Slick sang auch bei den Nachfolgebands Jefferson Starship und Starship. Die Starship-Stücke „Nothing’s Gonna Stop Us Now“ und „We Built This City“, bei denen sich ihr Gesang operettenhaft spreizt, zählen zu den größten Synthierockhits der achtziger Jahre.

„Rock’n’Roll ist eine Möglichkeit für junge Leute, ihre Wut rauszulassen“, sagte die Sängerin in einem Interview. „Rockmusiker über 50 sehen albern aus und sollten in den Ruhestand gehen.“ Grace Slick, die heute 80 Jahre alt wird, hat sich dran gehalten. Inzwischen beschäftigt sie sich hauptsächlich mit Malerei. Die Illustrationen, die sie für ihre Autobiografie „Somebody to Love?“ schuf, erinnern an „Alice im Wunderland“.

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