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Gossip-Sängerin Beth Dito in Berlin.

© DAVIDS/Sven Darmer

Gossip live in Berlin: Adele hatte gerade keine Zeit

Gossip gaben im Berliner Tempodrom ein Jubiläumskonzert zum zehnjährigen Erscheinen ihres legendären Albums "Music For Men".

Ein bisschen Farbe ist dazugekommen. Hannah Billie träg jetzt hellblauen Lidschatten und Rosa auf den Wangen. Anlass für die Aufhübschung ihres ikonischen Schwarz-Weiß-Porträts, das riesengroß im Bühnenhintergrund prangt, ist der zehnte Geburtstag von „Music For Men“. Es ist das Album auf dessen Cover ist die Gossip-Schlagzeugerin abgebildet ist, das Album, das die Band aus Portland in eine andere Galaxie katapultierte, in große Hallen, TV-Shows und Modeschauen. Ihr Hit „Heavy Cross stand monatelang in den Charts und lief überall, wo es einen Lautsprecher gab.

Die Platte hat das Leben der Gossip- Mitglieder verändert, wofür Sängerin Beth Ditto sich beim Jubiläumskonzert im Berliner Tempodrom in einer kleinen Rede bedankt. „Ich hatte keine Krankenversicherung vor ,Music For Men’“, sagt die in einem Trailerpark aufgewachsene Musikerin. Weil so viele Leute das Album und Konzerttickets gekauft hätten, seien ihr Sehvermögen, ihre Stimme und ihr Leben gerettet worden. Sie sei sehr dankbar dafür.

Der Dancerock-Sound hat sich gut gehalten

Und Gitarrist Nathan Howdeshell alias Brace Paine fügt hinzu, dass er seiner Mutter ein Haus gekauft habe. Man gönnt es dem sympathischen Trio von Herzen, zumal es nach seiner Trennung 2015 und zwei Soloalben von Ditto nun wieder zusammengefunden hat.

Die Band eröffnet ihre Show mit „Pop Goes The World“ und „Love Long Distance“, zwei Krachern vom „Music For Men“-Album, die sofort Bewegung in den Saal bringen. Der typische Gossip- Dancerock-Sound funktioniert immer noch prächtig, wirkt frisch und kraftvoll. Allerdings hat Beth Ditto nicht ihren allerbesten Abend erwischt, die Höhen bereiten ihr Probleme, manche Zeilen spricht sie mehr, als dass sie singt. Weil ihr das sichtlich unangenehm ist, macht sie nach ein paar Minuten Scherze auf eigene Rechnung und sagt: „Ich habe Adele gefragt, ob sie einspringen kann, aber sie hatte keine Zeit, weil sie ihr Geld zählen musste.“

Beth Ditto redet etwas zu viel

Überhaupt redet Ditto etwas zu viel, womit sie den Schwung ihrer hervorragend aufgelegten Band, die von einem Bassisten und einem Keyboarder verstärkt wird, immer wieder ausbremst. Gern würde man mal zwei oder drei Lieder hintereinander hören und richtig zum Tanzen kommen. Doch Ditto, die in ihrem tollen türkisen Glitzerkleid wie ein kleiner Kugelblitz aussieht, muss erst noch ein paar Witze reißen und sich Fake-Streitereien mit Hannah Billie liefern. Mehrmals hält sie Howdeshell sogar davon ab, einem Song zu beginnen. Was seine Spielfreude allerdings nicht beeinträchtigt, wunderbar wie er etwa das Finale der House-Pop-Nummer „Get Lost“ mit seinem roh-funkigen Hochgeschwindigkeitsanschlag zum Strahlen bringt.

Volle Rockpower zum Finale

In der zweiten Konzerthälfte legt Beth Ditto stimmlich zu und demonstriert bei „Standing In The Way Of Control“ ihre ganze Rock-Power. Mit geschlossenen Augen auf der Stelle stampfend wirft sich die 38-Jährige so leidenschaftlich in den punkrockigen ersten Hit der Band, dass Erinnerungen an das Gossip-Konzert in der Columbiahalle vor bald zehn Jahren aufblitzen. Nur noch in Unterwäsche kämpfte Ditto sich während des Songs durchs Publikum. Damals gab es einen Tina-Turner-Song als Zugabe, diesmal covert die Band „Careless Whisper“ von Wham! und treibt ihm mit krachenden Gitarren jegliche Achtziger-Balladen-Süße aus.

Noch bevor man darüber nachdenken kann, was George Michael wohl von dieser Version gehalten hätte, biegen Gossip auf die Zielgerade ein, an deren Ende natürlich „Heavy Cross“ steht. Ditto trägt dazu passend ein schwarzes Kleid mit umgedrehten goldenen Kreuzen. Die Gitarrensplitter fliegen, die Fans singen die Uhhs und Yeahs mit, klatschen den Beat – und alle sind happy.

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