zum Hauptinhalt
Von 1792 bis 1797 hielt Alexander von Humboldt sich in Franken auf. Das Schloss in Goldkronach.

©  Dorothee Nolte

Goldkranach in Franken: Ein ganzer Ort im Humboldt-Fieber

Das Humboldt Forum ist schon lange eröffnet: in einem Schloss im fränkischen Goldkronach. Dort verhalf Alexander von Humboldt einst dem Bergbau zu neuer Blüte.

Der Schlossherr empfängt mit einem Strahlen und mit knackigen Vollkornbrötchen, gebacken aus einer alten Roggensorte, weiß bestäubt. „Humboldt-Brötchen“, sagt Hartmut Koschyk und zeigt auch auf den urwüchsigen Laib, der daneben liegt: Humboldt-Brot. In Koschyks Reich ist Alexander von Humboldt überall und in allen Formen präsent: als Brot, als Bier, als Rose und vor allem als Inspiration für kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen. Vielleicht hat der große Naturforscher und Amerika-Reisende hier in Franken, wo er in jungen Jahren als preußischer Bergbaubeamter wirkte, seine treuesten Fans.

Denn es gibt bereits ein Humboldt Forum in einem Schloss, längst eröffnet und aktiv, allerdings steht es nicht Unter den Linden, sondern in Goldkronach am Rand des Fichtelgebirges. An diesem Örtchen mit seiner denkmalgeschützten Altstadt ist seit 2008 das „Alexander von Humboldt Kulturforum Schloss Goldkronach e.V.“ beheimatet, eine Initiative des CSU-Politikers Hartmut Koschyk, ehemals Bundestagsabgeordneter, Staatssekretär sowie Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Ihm gehört das Schloss, das quadratisch und turmlos in der Ortsmitte aufragt und eher einer Trutzburg gleicht.

Früher diente das Gebäude als Sitz der Markgräflichen Verwaltung, heute belebt das Kulturforum die ganze Region. Vom Mundartnachmittag über den anspruchsvollen Liederabend bis zum Konzert thailändischer Musiker, von der „Kosmos- Vorlesung“ zum Thema Demenz bis zum Genussfest mit regionalen Spezialitäten: Alles findet im Schloss, seinem Garten oder in Kooperation mit Kirchen oder anderen Veranstaltern der Gegend statt.

Die Ursprünge für alles, was danach kam

Was das mit Alexander von Humboldt zu tun hat? Nun, auch er hat einmal diese Gegend belebt und vorangebracht. Nachdem der junge Adlige aus Tegel in Freiberg Bergbau studiert hatte, war er von 1792 bis 1797 als Oberbergmeister in den damals preußischen Provinzen Ansbach und Bayreuth tätig und glücklich, endlich seinen Neigungen nachgehen zu können.

Unermüdlich reiste er zwischen den Revieren hin und her, wohnte mal in Steben, mal in Naila, Goldkronach oder Bayreuth, inspizierte Hütten und Stollen, machte Verbesserungsvorschläge und verhalf dem Bergbau in Franken zu neuer Blüte. Ihm lag daran, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern: In Steben gründete er auf eigene Kosten und mit selbst geschriebenem Lehrbuch eine Bergschule für die Arbeiter und ihre Kinder, und er erfand einen Lichterhalter sowie eine Atemmaske für Bergleute, die mit schlechten Wettern, giftigen Gasen und Sauerstoffmangel zu kämpfen hatten.

Die fränkische Phase von Humboldts Leben wird in Biografien meist nur kurz behandelt, denn seine Reisen nach Amerika (1799–1804) und Russland (1829) sind spektakulärer, seine Jahrzehnte als Forscher, Autor, Vortragender in Paris und Berlin wissenschaftlich bedeutsamer. Aber in Humboldts Bergbautätigkeit liegen die Ursprünge für alles, was danach kam: sein Interesse für sämtliche natürlichen Phänomene über und unter Tage, die Verbindung von Wissenschaft und Praxis, das soziale Engagement. Wie sehr ihn die fränkische Zeit prägte, lässt sich in dem schönen Buch „Alexander von Humboldt in Franken“ von Frank Holl und Eberhard Schütz-Lüpertz (Schrenk Verlag) nachlesen.

Museumspark mit Schautafeln

Besonders jetzt, zu Beginn des Humboldtjahres 2019, scheint der ganze Ort Goldkronach von Humboldt-Begeisterung ergriffen zu sein. Das Goldbergbaumuseum schräg gegenüber vom Schloss, das seit 2004 auf ansprechende Weise die Geschichte des Goldbergbaus in der Region präsentiert, bereitet eine Sonderausstellung zum 250. Geburtstag des Forschers vor. Annette Taubenreuther, die stellvertretende Vorsitzende des Museums, von Beruf Designerin, hat sich zur Geopark-Rangerin ausbilden lassen.

„Das erste Bergwerk im Goldberg, die Fürstenzeche, wurde schon 1363 eröffnet, zeitweise hat man hier um die vier Kilogramm Gold pro Woche herausgeholt“, erzählt sie. Nachdem die leicht erreichbaren Goldvorkommen aufgebraucht waren, schwächelte der Bergbau jedoch, Pestepidemien und der 30-jährige Krieg brachten ihn zum Erliegen. Erst Humboldts Ideen brachten eine kurze neue Blüte hervor. Wenn Annette Taubenreuther auf dem Humboldtpfad zum Besucherbergwerk „Mittlerer Name Gottes“ führt, verkleidet sie sich schon mal als Alexander von Humboldt. Und erklärt mit Verve die Hinterlassenschaften des Bergbaus und die „fränkische Linie“, jene Bruchzone in der Erdkruste, die diese Gegend noch heute so interessant für Geologen macht.

In allen Varianten. Das Humboldt-Bier.
In allen Varianten. Das Humboldt-Bier.

© Dorothee Nolte

Die fränkische Linie ist auch im Gewölbekeller des Schlosses Goldkronach sichtbar, dort, wo heute eine Ausstellung mit Schautafeln an Humboldts Zeit in Franken erinnert. Neben dem Schloss steht auf einer Stele eine Bronzebüste, und um sie herum wachsen, vom Winter erschöpft, kleine Humboldt-Rosen: eine besonders insektenfreundliche Züchtung zum 250. Geburtstag des Forschers, der sich immer auch als Botaniker verstand.

Hinter dem Schloss entsteht gerade der Alexander von Humboldt Museumspark nach Plänen zweier Berliner Landschaftsarchitektur-Studentinnen: Hier sollen, mit europäischen und lateinamerikanischen Pflanzungen und mit Schautafeln, Stationen aus Alexander von Humboldts Leben nachvollziehbar werden, attraktiv für Touristen, Einheimische und Umweltpädagogen. Überhaupt sind die Verbindungen nach Berlin eng. Im Beirat des Museumsparks sitzen unter anderem Patricia Rahemipour vom Berliner Botanischen Museum und die Humboldt-Experten Tobias Kraft, Ulrich Päßler und Ingo Schwarz; zu Vorträgen weilten bereits Hermann Parzinger und Humboldt-Forscher Ottmar Ette in dem kleinen Ort. Umgekehrt führten Reisen die Goldkronacher auf den Spuren Alexander von Humboldts nach Berlin und bis nach Kuba. Ganz im Geiste des genialen Netzwerkers Humboldt ist das Kulturforum bestens vernetzt. Unter anderem treffen sich hier einmal im Jahr die internationalen Stipendiaten der Alexander- von-Humboldt-Stiftung.

Nicht überall wird der Name in Ehren gehalten

Alexander von Humboldt ist für den 3700-Einwohner-Ort sozusagen zum Goldstück geworden. Sogar die Schilder an der nahen A9 weisen inzwischen auf „Goldkronach – Alexander von Humboldt“ hin. Doch nicht überall wird sein Name derart in Ehren gehalten.

Hartmut Koschyk schüttelt den Kopf, wenn er von Bad Steben erzählt, jenem Ort, an den Humboldt sich später sehnsüchtig erinnerte. Dort hat man die Gelegenheit, Alexander von Humboldts ehemaliges Wohnhaus für die Gemeinde zu erwerben und in ein Museum zu verwandeln, verstreichen lassen, das Haus wurde privat erworben, die Sammlungen und Möbel in alle Winde verkauft.

Zum Abschied überreicht Hartmut Koschyk drei Flaschen dunkles Exportbier, das eine Brauerei in der Umgebung von Goldkronach für das erste „Alexander von Humboldt Genussfest“ gebraut hat. Schmeckt!

Info: www.humboldt-kulturforum.de. Der Tagesspiegel bietet im Mai, Juli und September viertägige Leserreisen auf den Spuren Alexander von Humboldts in Franken, Sachsen und Thüringen an. Alle Informationen sowie die Buchungsmöglichkeit finden Sie am 23. Februar im Tagesspiegel sowie unter reisen.tagesspiegel.de.

Von Dorothee Nolte ist erschienen „Alexander von Humboldt. Ein Lebensbild in Anekdoten“ und „Wilhelm von Humboldt. Ein Lebensbild in Anekdoten“, beide im Eulenspiegel Verlag, beide haben 128 Seiten und kosten 9,99 €.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false