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Selbst ist die Frau. Julianne Moore als Gloria.

© Squareone

„Gloria“ mit Julianne Moore: Auf der Suche nach Leben, Liebe, Leichtigkeit

Popsongs für die Seele: Sebastián Lelio hat sein leidenschaftliches Frauenporträt „Gloria“ mit Julianne Moore neu verfilmt.

Julianne Moore trällert voll Herzblut die Popsongs im Radio mit, wenn sie sich morgens im Auto den Weg zur Arbeit im gläsernen Distrikt von Los Angeles bahnt. Sie spielt Gloria, eine allein lebende Versicherungsangestellte, seit zwölf Jahren geschieden und wie die Frau in Laura Branigans Song auf der Suche nach Leben, Liebe, Leichtigkeit - Gegengiften zu den mit Langmut auszutarierenden Schwierigkeiten ihres Alltags.

Für Sebastián Lelio bedeutet das Remake seiner Tragikomödie „Gloria“ seine nach dem lesbischen Drama „Disobedience“ zweite internationale Produktion. 2013 war das in Chile angesiedelte Original Publikumsliebling der Berlinale. Paulina Garcia war in der Rolle der passionierten Frau über 50 so überzeugend, dass sie den Silbernen Bären gewann. Lelios Erzählung über die unterschiedliche Wahrnehmung von Männern und Frauen, wenn es darum geht, Distanz zu alten Bindungen zu halten, ohne alle Brücken hinter sich abzubrechen, traf offensichtlich einen Nerv unter Kinogängerinnen in urbanen Metropolen.

Julianne Moore, eine Grande Dame ihrer Generation, ließ sich die Chance auf ein pralles Star-Vehikel nicht entgehen. Sie stieß die Neuverfilmung an und fungiert auch als ausführende Produzentin. Sie prägt auch den Film mit ihrer unaufdringlichen Präsenz, die Kamera der argentinischen Kamerafrau Natasha Brainer folgt ihr auf Augenhöhe und kommt ihr nah, selbst in den Szenen, in denen sich Gloria im Kummer verliert.

Moores Objekt der Begierde spielt John Turturro

Es gibt Stress am Arbeitsplatz. Alleinstehende ältere Mitarbeiterinnen sind in Gefahr, mit einer zu geringen Abfindung entlassen zu werden. Barbara Sukowa als Kollegin und Freundin muss sich den berüchtigten Karton mit den Überbleibseln vom Arbeitsplatz unter den Arm klemmen. Gloria verspricht, im Notfall mit ihr zusammenzuziehen. Glorias Sohn wird von seiner Frau verlassen und muss sich allein um sein Baby kümmern. Ihre Tochter geht für den Mann ihres Lebens nach Schweden, ihre verwitwete Mama ist dabei, mit ihren Egotrips das Familienerbe durchzubringen.

Vorübergehend helfen die Popsongs der Achtziger, die Glorias Alltag wie ein wärmendes Fluidum umgeben und sie in einer Single-Disko für Silverager selbstvergessen zum Tanzen verführen. Die Musik scheint direkt zu ihr zu sprechen. Kein Wunder, dass Glorias vertrackte Liebesgeschichte mit Arnold im Getümmel auf der Tanzfläche beginnt und – anders als erhofft – dort auch endet.

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Julianne Moores Objekt der Begierde spielt John Turturro, in Hollywood einer der großen Darsteller fragiler abgründiger Männlichkeit. Lelio lässt sich Zeit, ihre Annäherung beim Tanzen, ihre Körperlichkeit und die Leidenschaft ihrer Sex-Begegnungen zu inszenieren. Er macht die Sinnlichkeit sichtbar, ohne ihre Magie zu verraten.

Aber die Romantik zeigt Risse. Arnold ist geschieden, wird jedoch von seinen zwei verwöhnten Teenager-Töchtern mittels telefonischer Hilferufe immer von Gloria weggelockt. Der Held ihres neuen Sex-Lebens erweist sich als neurotisch, ohne klare Haltung. Unabhängigkeit, wie Gloria sie lebt, ist ein Fremdwort für ihn.

Zwischen Glückseligkeit und Konfrontationen

[In 14 Berliner Kinos, OmU: Delphi Lux, Eva, Hackesche Höfe, Il Kino, Kulturbrauerei, Rollberg]

Lelios Drehbuch demontierte den Mythos des Latin Lovers, die gleichen grotesken Konstellationen und Kabalen funktionieren im US-amerikanischen Milieu aber auch als Satire auf sogenannte ältere weiße Männer. Arnold rechtfertigt bei einem Abendessen mit Glorias liberalen Freunden die Freiheit der Waffenliebhaber und verlässt heimlich den Tisch, weil er sich von seiner Geliebten nicht verteidigt fühlt. Der Ex-Offizier betreibt einen Schießplatz, weil Männer eben gern Krieg spielen, kann jedoch bei einer Familienrunde Glorias Zuwendung zur Patchworkfamilie ihres geschiedenen Gatten nicht aushalten.

Dieses fatale Spiel steigert sich, die Achterbahnfahrt zwischen Glückseligkeit und peinlichen Konfrontationen mit Arnolds gekränktem Narzissmus wirft die selbstbewusste Gloria aus der Bahn, bis sie – als idealisierte Verkörperung einer starken Frau – den Entschluss fasst, Arnold zum Abschied mit seinem eigenen Spielzeug die richtige Lektion zu erteilen.

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