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Kultur: Globale Berliner Ökonomie Stereo Total und ihr Album „Cactus vs Brezel“

Ach wie gut, dass es diese Band gibt. Stereo Total, bestehend aus Françoise Cactus und ihrem Kunst- und Lebenspartner Brezel Göring!

Ach wie gut, dass es diese Band gibt. Stereo Total, bestehend aus Françoise Cactus und ihrem Kunst- und Lebenspartner Brezel Göring! Denn wer kündet heute noch so schön und überzeugend von den goldenen Zeiten, in denen es gang und gäbe war, sich irgendwelchen Quatsch auszudenken und diesen dann in Musik zu transformieren: in bewusst dilettantische, bewusst kaputte, bewusst unterhaltsame Musik? „Wir vergreifen uns an tausend Stilen und machen dann irgendwelchen Scheiß damit“, hat Françoise Cactus das einmal genannt. Schlag nach im Underground-Music-Lexikon unter Bubblegum-Chanson, Garage, Lo-Fidelity, Punk, Trash. Schlag’ auch nach unter Berliner Ökonomie, die inzwischen Vorbild für die europäische Ökonomie sein müsste. Irgendwas geht immer, um es mit Christiane Rösinger zu sagen.

Seit fast zwanzig Jahren schon beglücken Cactus und Göring von Berlin aus die Welt mit ihrem ebenso rauen wie schnuckeligen Charme, und mit dem inzwischen neunten Stereo-Total-Album „Cactus vs Brezel“ bekommt ihre musikalische Arbeit langsam Werkcharakter. Produziert wurde das Album in Los Angeles, im Studio des Black-Keys-Mitglieds Gus Seyffert, den man in Deutschland auch als Songschreiber von Lenas letztjährigem Eurovision-Song-Contest-Beitrag „Taken By A Stranger“ kennt. Ach ja, der ESC, den finden Stereo Total natürlich großartig, obgleich er im Vergleich mit ihrer globalen Präsenz (Japan, USA, Lateinamerika) eher Kinderkram ist.

Auch die Meriten eines Gus Seyffert (oder die von ihrem Label stolz aufgelisteten Touren einst mit den Strokes und den Beastie Boys) braucht es nicht, um Stereo Total in ihrem ganzen Pop-Glanz erstrahlen zu lassen. Das machen sie von allein: mit Hits am laufenden Band, von „Die Frau in der Musik“ über „J’aime le synthétique“ bis zu der verdächtig bekannten Teen-Hymne „LA CA USA“. Mit Musik, die sich nur selten anhört wie ein Rasenmäher, ein Rasierer, eine Kreissäge oder Kehlkopfkrebs, wie es in einem der rumpeligeren Stücke heißt. Göring beherrscht dafür seine Kinderzimmerelektronik einfach zu gut – und Cactus trällert immer noch so herzerweichend, als sei sie frisch verliebt. Gerrit Bartels

„Cactus vs Brezel“ von Stereo Total ist bei Staatsakt erschienen.

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