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Pasquale Lioi in der Rolle des Sohnes.

© Katharina Schelling / Berlinale

„Gli ultimi a vederli vivere“ auf der Berlinale: Vom Tod umfangen

Ein Film über die Kostbarkeit des gewöhnlichen Lebens und die Unausweichlichkeit des Todes. Das Familiendrama „Gli ultimi a vederli vivere“ im Forum.

Chronik eines angekündigten Todes. Schon im Vorspann erfährt man, dass die Olivenbauern-Familie, deren Alltag die Kamera einen Tag lang begleitet, die folgende Nacht nicht überleben wird – sie wird Opfer eines Verbrechens. Vom ersten Moment an bewegt sich der Zuschauer immer wieder über eine schmale gewundene Straße durch die felsige Region in Richtung Tatort. Das Asphaltband, Inbild für die Zeit, wie sie abläuft, unwiederbringlich. Man wird „Zeuge abgerissener Lebensfäden“, sagt die Regisseurin Sara Summa.

Die in Frankreich aufgewachsene Italienerin hat an der Berliner DFFB studiert und ihren Abschlussfilm „Gli ultimi a vederli vivere“ genannt, „Die Letzten, die sie leben sahen“. Eine Versuchsanordnung, eine Frage: Wie verändern sich die Bilder durch die Kenntnis des nahenden Unheils? Ein abgelegenes Haus, draußen die Olivenbäume, drinnen Vater-Mutter-Kinder. Sie sind mit Hochzeitsvorbereitungen für die älteste Tochter beschäftigt, die jüngere hilft einem Nachbarskind, einen Ricotta-Kuchen zu backen, kocht Pasta für alle und guckt Fernsehen mit ihrem Freund, der zu Besuch kommt. Der Sohn werkelt an einem Holzkasten, seinem Hochzeitsgeschenk. Der Vater sitzt im Kellerbüro über den Abrechnungen, die Mutter liegt krank im Bett. Sie hat viel Nippes im Haus, sie liebt die kleinen Dinge, sagt sie. Weil man sie überallhin mitnehmen kann.

Essen wird gekocht, der Abwasch erledigt, abends die Fensterläden geschlossen. Es geschieht nichts Besonderes. Und doch liegt ungeheure Spannung in den Bildern, eine bange Vorahnung lässt sie vibrieren. Man sieht banale Verrichtungen, wird zunehmend nervös, verspürt das Unbehagen der Indiskretion, eines Voyeurismus, der einem im Kino sonst selten bewusst wird. Ein Film über die Kostbarkeit des gewöhnlichen Lebens und die Unausweichlichkeit des Todes. Über unser Wissen darum, das wir so gerne verdrängen.

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