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Stephanie Eidt in Dennis Kellys ""Girls and Boys" am BE.

© Matthias Horn / Berliner Ensemble

„Girls and Boys“ am Berliner Ensemble: Immer schön easy bleiben

Feministisch und aktuell? Eher pseudocool und vereinfachend. Dennis Kellys pointenseliger Monolog „Girls and Boys“ am Berliner Ensemble.

Erfreuliche Nachrichten aus Berlins (Theater-)Mitte: Selbstbewusstseinsprobleme plagen die Bühnen offenbar nicht. Zumindest nicht das Berliner Ensemble. Laut Programmheft sehen wir in dessen Kleinem Haus mit Dennis Kellys Monolog „Girls and Boys“ nicht weniger als „ein Stück der Stunde“. Namentlich „ein feministisches Stück“, wobei sich der Feminismus erst mal als entschleunigte Stand-up-Comedy tarnt. „Ich habe meinen Mann in der Passagierschlange eines Easyjet-Flugs getroffen“, beginnt der Abend, den die Regisseurin Lily Sykes in deutschsprachiger Erstaufführung präsentiert. „Und ich muss sagen: Der Typ war mir auf Anhieb unsympathisch.“

So forciert pointenselig schreitet die Beziehungs- und Arbeitsbiografie jener Frau, die da beim Monologisieren beharrlich vor einem Stahlgerüst hin und her läuft und in Ermangelung anderer Betätigungsfelder gern mal den Reißverschluss ihrer roten Lederjacke öffnet und wieder schließt, eine ganze Weile voran. Beziehungsweise: bergauf. Denn der Sex mit dem Unsympathen, „ich sage Ihnen: du liebe Scheiße – am Anfang: mein Gott!“ Also echt: „Unfassbar“!

Und der Job: eigentlich fast noch superer, hey! Jedenfalls nach einer Coolness- Übung der Protagonistin, die die Solo-Darstellerin Stephanie Eidt mit entsprechend draufgeschaffter Semi-Rotzigkeit intoniert: Eigentlich habe sie ja keine Chance gehabt, als „Formatentwicklerin in der Dokumentarfilmproduktion“ Fuß zu fassen, erzählt sie. Aber weil die unkonventionelle Chefin einfach noch cooler ist als sie selbst und sich „in die Hosen pisst vor Lachen“ ob ihrer pfiffigen Bewerbungsstrategie, bekommt sie den Job.

„Girls“ sind Hoffnungsträgerinnen, die „Boys“ das Gegenteil

Praktischerweise gestaltet sich Kellys „Girls and Boys“ – apropos „feministisches Stück“ – überhaupt supi übersichtlich: Von zwei zwar „umwerfend schönen“, aber – klaro doch – hyperdämlichen Models mal abgesehen, sind die auftretenden „Girls“ praktisch durchgängig Hoffnungsträgerinnen und die „Boys“ das Gegenteil. „Girls“ praktisch durchgängig Hoffnungsträgerinnen und die „Boys“ das Gegenteil. Weshalb auch der Typ aus der Easyjet-Schlange nach ungefähr sechzig der insgesamt hundert Monolog-Minuten vom Sex- und mutmaßlichen Beziehungsgott zu genau jenem Unsympathen regrediert, als den ihn die Protagonistin schon auf den ersten Kassandra-Blick identifiziert hatte.

Wir wollen dem Berliner Ensemble hier natürlich gern den Gefallen tun, ihm nicht den feministischen Spaß zu verderben, und verraten deshalb nur noch dreierlei. Erstens: Männer haben nach wie vor Probleme mit der Gleichberechtigung, wobei weiblicher Berufserfolg risikosteigernd wirkt. Das wiederum kann, zweitens, vor allem dann in düstere archaische Abgründe führen, wenn die Schöpfer dieser Easyjet-Unsympathen – so wie der britische Dramatiker Dennis Kelly – leidlich belesen sind und sich insbesondere mit der griechischen Tragödie auskennen, zum Beispiel mit „Medea“. Aber, drittens, hey: Auch, wenn das jetzt alles ganz schön deprimierend klingt – bitte schön easy bleiben! Sofern die dunkelsten Abgründe nämlich so wunderbar clean und dank David Schwarz’ untermalenden Eigenkompositionen so perlend über die Bühne gehen, kann man sie selbst dann noch hervorragend ignorieren, wenn man längst knietief in ihnen steckt.

Wieder Di 13.3, Sa/So 24./25.3., 20 Uhr

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