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Ausnahme: Saša Stanišics „Herkunft“ ist nominiert für den Deutschen Buchpreis - und verkauft sich gut.

© dpa/Jan Woitas

Gießkanne mit viel Wasser: In Deutschland bekommt jeder Autor einen Preis

Die Jury des Deutschen Buchpreises ist 2019 nicht auf der Höhe - doch beim Wilhelm-Raabe-Preis oder dem Bayrischen Buchpreis sorgt man für Ausgleich.

Es ist gerade die hohe Zeit der Literaturpreise, von denen es wohl in keinem anderen Land der Welt so viele gibt wie in Deutschland, weit über tausend. Das ist gut für die Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie sind deshalb nicht so dringend auf den Verkauf ihrer Bücher angewiesen, da können die vielen Preise und Stipendien manches finanzielle Loch stopfen. Gut ist das gerade dieser Tage aber auch, weil die Jury des Deutschen Buchpreises ihrer Aufgabe, den „Roman des Jahres“ zu küren, nur unzureichend gerecht wird.

Zumindest fehlten auf der Longlist und fehlen auf der Shortlist bessere und schwergewichtigere Romane als die jeweils nominierten. Miku Sophie Kühmel mit „Kintsugi“ oder Raphaela Edelbauer mit „Das flüssige Land“ haben sicher nicht das literarische Potential zum „Roman des Jahres“ – sie sind besser aufgehoben beim ZDF-„Aspekte“–Literaturpreis für das beste deutschsprachige Debüt des Jahres (wo zumindest Kühmel auch nominiert ist)

Weil es aber nun einmal Preise über Preise gibt und deren Verleihung gern in den Herbst fällt, wird nun allerorten für Ausgleich und Gerechtigkeit gesorgt. So konnten sich Norbert Gstrein, Judith Kuckart, Terézia Mora und David Wagner, die es mit ihren neuen Büchern nicht einmal auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schafften, Hoffnungen machen, den am 3. November in Braunschweig verliehenen Wilhelm- Raabe-Preis zu gewinnen. Sie waren dafür nominiert, so wie die sich immer noch im Rennen um den Deutschen Buchpreis befindlichen Autoren Norbert Scheuer, Jackie Thomae und Saša Stanišić

Auf den Bestsellerlisten befindet sich nur einer der Titel

Dass der Preis nun an Norbert Scheuer geht, beeinhaltet vor diesem Hintergrund natürlich eine gewisse Ironie, der kann doch den Deutschen Buchpreis noch gewinnen! Es ist aber auch ein deutlicher Fingerzeig an die Deutsche-Buchpreis-Jury: Wir hier in Braunschweig zeigen euch, wie man das macht, was preiswürdige Literatur von Debütliteratur unterscheidet! Und den Scheuer wieder nicht auszuzeichnen wie schon 2009 mit „Überm Rauschen“, könnt ihr euch jetzt zwar leisten, hat aber einen schlechten Beigeschmack!

Auch in der Jury des mit 10 000 Euro dotierten Bayrischen Buchpreises scheint man mit Kopfschütteln auf die Auswahl der Jury in Frankfurt geschaut haben – auf der drei Titel umfassenden Belletristik-Shortlist für diesen Preis, der am 7. November in München verliehen wird, steht neben Carmen Buttjer mit „Levi“ wiederum David Wagner mit seinem Vater-Demenz-Buch „Der schlafende Riese“ und schließlich der ebenfalls preistechnisch vernachlässigte Steffen Kopetzky mit „Propaganda“, einem historischen Roman vor allem über den Zweiten Weltkrieg und die Schlacht im Hürtgenwald 1944.

Dieser deutsche Preissegen erinnert an „Wer muss noch mal, wer hat noch nicht“, an das Prinzip Gießkanne, bekommt schon jeder seinen Preis. Doch eine gewisse Notwendigkeit wohnt ihm inne. Schaut man sich die Bestsellerlisten an, findet sich dort bislang nur ein einziger der gerade genannten Titel: „Herkunft“ von Saša Stanišić

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