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Marlis Petersen

© Georgios Mavropoulos

Ghislieri Consort im Kammermusiksaal: Noch sind nicht alle Messen gesungen

Im Kammermusiksaal präsentiert das Ghislieri Consort geistliche Werke. Auch eine Rarität, ein sehr lang unentdecktes Werk ist dabei.

Geschichtlich gesehen ist das schon eine abstruse Situation, die da ausgerechnet ein historisch informiertes Ensemble schafft. Nie hätten Musiker im späten 18. Jahrhundert gleich zwei Messen und eine Vesper hintereinander weggespielt – dazu noch in einem weltlichen Konzertraum. Wie in einem laborartigen Versuchsaufbau in gewissermaßen steriler Umgebung präsentieren Coro e Orchestra Ghislieri drei historische Exponate: Haydns „Kleine Orgelmesse“, Mozarts „Vesperae solennes de Confessore“ und Pergolesis „Messe in D-Dur“.

Das Experiment scheint schon deshalb vielversprechend, weil sich das italienische Ensemble seit Jahren der geistlichen alten Musik widmet, samt wissenschaftlichem Begleitkomitee. Erst Anfang des Jahres hat die Formation unter dem Dirigenten Giulio Prandi nach aufwändiger Rekonstruktion eine lange Fassung der Pergolesi-Messe präsentiert.

Die Glückseligkeit geistlicher Vertonungen bleibt aus

In wunderbar historischem Tongewand tritt sie im Kammermusiksaal auf: ein schlanker und durchscheinender Klang, dazu das leicht kratzige Schaben der Bögen auf den Natursaiten und ein klarer, ausbalancierter Chor. Die Sopran-Soli singt Marlis Petersen. In Pergolesis Messe gelingt ihr durchweg ein leichter, selbst bei den höchsten Noten kontrolliert runder Ton. Besonders schön schafft sie es, im „Domine Deus“ inmitten des Orchesterklangs sanft anzusetzen und dann auf den langen Liegetönen langsam ihre Stimme hervorzuheben. Anschließend webt sie gemeinsam mit der eingesprungenen Altsolistin Josè Maria Lo Monaco die beiden Solomelodien kunstvoll ineinander.

Etwas angestrengter wirkt Petersen in den bedächtigen Arien von Haydn und Mozart. Über den transparenten Ensembleklang erhebt sie sich recht dramatisch und mit viel Vibrato. Giulio Prandi lässt sie gewähren, doch so feinfühlig abgestimmt wie bei Pergolesi wirkt es hier nicht. Generell scheint er ein wenig in hektischer Eile, gerade während der langsamen Sätze. Die sich von inniger Ruhe nährende Glückseligkeit geistlicher Vertonungen bleibt aus. In den flotten Teilen gibt er den treibenden Akzenten dagegen einen harten Klang, erreicht aber keine Schärfe. Oft scheint es, dass er gerne noch stärker in die dynamischen Extreme gehen möchte, doch seine Musiker nicht ganz folgen können. Verwunderlich eigentlich, denn immer, wenn einzelne Sänger oder Instrumentalisten solistisch hervortreten, sei es bei kurzen Einsätzen oder als Solosänger in Mozarts Vesper, wird die Qualität jedes einzelnen erkennbar.

Jonas Zerweck

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