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Lustig oder doch nicht? Manchmal ein knappes Rennen.

© PANTHERMEDIA

Gesellschaft: Alle mal lachen

Witze treten fast immer jemandem auf die Füße, soll man besser auf sie verzichten? Oder gilt mit dem Papst: Wer nicht über sich selbst lachen kann, nimmt sich zu wichtig? Eine Kolumne

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

In dem YouTube-Video eines Live-Auftritts sieht man die Musiker in Pluderhosen und Umhänge gehüllt, sie tragen Fez oder Turban und tun orientalisch. Sie singen von der schönen Laila, die nur eine Fata Morgana ist, deren Zauber ein deutscher Forscher verfällt, wogegen ihm auch ein alter Beduine nicht helfen kann, und so irrt der Verfallene in die Wüste, wo er stirbt, und die Geier kreischen „Inschallah, endlich ein Kadaver“.

Der Auftritt der Band EAV ist von 1985, bei YouTube läuft er seit 2012 und die Kommentare darunter reichen bis ins Heute. Die meisten drücken Amüsement aus, doch einer aus 2017 lautet: „Das Bühnenprogramm müsste man sich heute mal vorstellen, komisch, dass die EAV dafür nicht enthauptet wurde ...“ Und in der Tat ist es kaum vorstellbar, dass heute derart clownesk mit Bildern aus dem arabischen Kulturraum hantiert würde. Viel zu heikel. Es könnte jemand kulturchauvinistische, wenn nicht rassistische Denkmuster unterstellen, man hätte zu erklären, zu rechtfertigen, der ganze Spaß, der ganze Witz des Auftritts – kaputt.

Ist das gut oder schlecht oder so pauschal nicht zu sagen?

Der Papst jedenfalls müsste es schlecht finden. Wer nicht über sich selbst lachen könne, überschätze sich und halte sich für zu wichtig, hat Franziskus nach Angaben der Catholic News Agency jüngst während seiner Südamerikareise bei einer Ansprache an peruanische Priester, Ordensleute und Seminaristen gesagt. Er adelte den Sinn für Humor als „ein gutes Heilmittel für die Versuchung der geistlichen Selbstüberschätzung“. Damit stellt er sich zu den Fans der Weisheit, dass Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Die ist überhaupt ein guter Leitspruch gegen allzu viel Verbissenheit in Fragen der Sensibilitäten und Rücksichtnahmen – wenn nicht irgendwann nur noch Entenwitze übrig bleiben sollen.

Humor und Witz haben viel mit Erwartungen zu tun. Erwartungen werden entweder enttäuscht, oder es wird (wie beim EAV-Auftritt) total übertrieben. Um überhaupt eine Erwartung haben zu können, bedarf es der Pauschalisierung, der Verallgemeinerung, auf die der Witz dann zielen kann. Damit wären Erwartungen immer angreifbar, weil sie nie immer zutreffend, also nicht korrekt sind. Erodiert dann nicht jede Witz-Basis? Geht dann irgendwann gar keiner mehr, auch nicht der von den zwei Rosinen, die sich in der Backstube treffen, und eine setzt einen Helm auf, weil sie gleich in den Stollen muss (haha) – weil ja schließlich überall Zechen zugemacht und Kumpel arbeitslos werden?

Gilt die Sehnsucht eher der verortenden Empörung?

Wie politische Korrektheit und Humor zusammenhängen, hat bereits 1997 an der Universität Zürich eine Gruppe von Wissenschaftlern zu einem Meinungsaustausch per Mail inspiriert. Der US-Medienwissenschaftler Arthur Asa Berger beschreibt dort eine wachsende Dünnhäutigkeit („Ich kann in einer Vorlesung inzwischen mit fünf, sechs Wörtern acht verschiedene Gruppen beleidigen“), glaubt aber, dass des Menschen Bedürfnis zu lachen, zu groß sei, als dass es sich von Sprachvorgaben zähmen lasse. 20 Jahre später und in Deutschland versuchte sich kurz nach der Bundestagswahl und der Ankündigung, die große Koalition sei hiermit beendet, eine SPD-Politikerin in Witzigkeit und versprach der CDU, ab morgen gebe es in die Fresse. Was lustig war als enttäuschte Erwartung an das Benehmen von Frauen allgemein und von politisch Verantwortlichen erst recht – aber sogleich zu bierernsten Analysen und Debatten über den Charakter der Frau führte.

Hat Berger sich womöglich gründlich getäuscht, und die Sehnsucht der Menschen im Jahr 2018 ist viel weniger das befreiende Lachen als die verortende Empörung? Lachen gleich gestörte Erwartungen gleich infrage gestellte Konvention gleich fehlende Grenzziehung. Das ist in Zeiten wachsender Unsicherheiten vielleicht das Falsche. Wohingegen die Empörung als Ausdruck feststehender Positionen Sicherheit vermittelt, was aus denselben Gründen sehr beliebt sein könnte.

Für den Großanalytiker Sigmund Freud sind Witze Verstöße gegen Denk- und Ordnungszwänge, mal harmlos, mal böse, aber entlastend. Was sich von Empörung nicht sagen lässt. Viel eher zeigt sich in ihr, was der Papst geistliche Selbstüberschätzung nennt, das Sich-selbst-zu-wichtig-Nehmen. Was sich allerdings auch leichter anderen vorwerfen als selber besser machen lässt. Darum hier zur Selbstprüfung ein Papstwitz: Warum duscht der Pontifex mit Badehose? – Weil er nicht auf einen Arbeitslosen herabschauen möchte. Haha?

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