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Der Autor, Kurator und Publizist Thomas B. Schumann.

©  privat

Geplantes Exilmuseum in Berlin: Die Spur der Verjagten

Im Literaturforum im Brecht-Haus stellt Thomas B. Schumann einen Bildband über seine Kunstsammlung vor und wirbt für ein Exilmuseum in Berlin.

In Berlin will ein erfolgreicher Kunsthändler sein Lebenswerk krönen, indem er der Stadt ein Museum schenkt, das an die von den Nazis vertriebenen Mitbürger und Künstler erinnert. Der Mann hat Geld und ein Netzwerk, aber keine Sammlung, die auf den Museumszweck zugeschnitten wäre. In der Nähe von Köln sitzt ein manischer Sammler in einem Bungalow mit 50 000 Büchern, vor allem von Exilautoren, mit Dokumenten, Nachlässen und 700 Bildwerken, die von exilierten Künstlern stammen. Seit zehn Jahren sucht der Rheinländer einen Ort und Unterstützung für ein Museum des Exils.

Was läge näher, als dass die beiden ihren Traum gemeinsam realisieren? Doch niemand kann sie zusammenzwingen. Man rede nicht mehr miteinander, sagt der Sammler aus dem Rheinland, Thomas B. Schumann. „Aber Bernd Schultz wird sein Exilmuseum auch so bekommen.“ Geld und prominente Mitstreiter habe er ja. Zudem ist seit Mitte März klar, dass Schultz über seine Immobilie, das heutige Käthe-Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße, ab Ende 2019 frei verfügen kann. Die Senatskulturverwaltung stellt Räume gegenüber vom Schloss Charlottenburg zur Verfügung, nah bei der Sammlung des Emigranten Heinz Berggruen. Schultz kann das von ihm jahrelang geförderte Kollwitz-Museum ohne Gesichtsverlust in ein kommodes Exil schicken.

Die Schultzsche Initiative wurmt den Sammler Schumann. Er sucht seit zehn Jahren Haus und Unterstützung für das erste Exilmuseum in Deutschland. Die Spuren der Verjagten zu sichern ist seit Jahrzehnten sein Lebensinhalt, Hunderte hat er persönlich besucht und darüber publiziert. Er wurde Verleger, als kein großer Verlag eine „Andere Bibliothek“ der vertriebenen Autoren wagen wollte. Seit 1994 hat er in der „Edition Memoria“ rund 30 Titel herausgegeben. 2017 zeichnete ihn das PEN-Zentrum Deutschland mit dem Hermann-Kesten-Preis aus. „Ich bin von Beruf Jäger und Sammler“, so stellte er sich vor zwei Tagen im Literaturforum im Brecht-Haus bei der Präsentation eines Bildbandes über seine Kunstsammlung vor. Während die Literatur des Exils gut erforscht sei, gebe es viele bildende Künstler, die völlig vergessen seien oder über deren Exilschicksal man nur wenig wisse. Der Maler Hein Heckroth etwa. Er hatte als Bühnen- und Filmausstatter Erfolg, bekam 1949 sogar einen Oscar. 2000 erwarb Schumann ein düsteres Blumenstillleben von ihm.

Das Exilmuseum muss ein Ort der Kommunikation sein

Die Geschichten, die Schumann rund um seine Sammlung erzählt, sind oft aufregender als die Bilder selbst. Viele entstanden schon vor oder nach der Exilzeit, wenige nehmen direkt Bezug auf die Erfahrung als Flüchtling. Oft weiß man nicht: Haben die Künstler diese Landschaften, Stillleben, Porträts aus eigenem Antrieb gemalt oder weil die Motive im Ausland verkäuflich waren? Ludwig Meidners spätimpressionistisches „Stillleben mit Hering und Gemüse“ von 1936 etwa: Würde das in einem Museum des Exils nicht einen völlig falschen Eindruck vermitteln? Doch man sieht so ein Bild mit anderen Augen, wenn Schumann erzählt, dass Meidner im Londoner Exil als Leichenwäscher arbeitete, um zu überleben.

Primär als Bildergalerie kann ein Exilmuseum also nicht funktionieren. Es müsste Geschichten rund um die Objekte erzählen und vor allem ein Ort der Kommunikation sein, der die historischen Erfahrungen deutscher Exilanten mit der aktuellen Flüchtlingsthematik in Beziehung bringt. So wie das die Akademie der Künste 2017 mit der Ausstellung „Künstler im Exil“ probiert hat. Alleine in ihrem Archiv finden sich 300 Nachlässe und Sammlungen exilierter Künstler. Kürzlich hat das Stadtmuseum den Nachlass von Max Reinhardt erworben; die Staatlichen Museen haben keinen Platz, Werke namhafter Emigranten auszustellen. Das Gezänk um ein privates Exilmuseum lenkt ab: Davon, dass in der Berliner Kulturpolitik eine Idee fehlt, was man mit dem reichlich vorhandenen Erbe des Exils überhaupt anfangen will.

Schumann stellt „Deutsche Künstler im Exil“ (Edition Memoria) an diesem Donnerstag, 22.3., 19 Uhr in der Salongalerie „Die Möwe“, Auguststraße 50B, vor.

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