zum Hauptinhalt
Der Detroiter Musiktheoretiker und Posaunist George Lewis.

© Emily Peragine

George Lewis und Roscoe Mitchell: Geist der Maschine

Die Detroiter Freejazz-Veteranen George Lewis und Roscoe Mitchell verbinden beim CTM-Festival ihren Sound mit einer Künstlichen Intelligenz.

Zwischen Laptop-Performern und DJs, die beim Berliner Musikfestival Club Transmediale das Publikum auf den neuesten Stand in Sachen elektronischer Musik bringen, stehen plötzlich zwei Freejazz-Veteranen auf der Bühne des Hau 1. George Lewis und Roscoe Mitchell, beide in Chicago geboren, treffen sich zum Duett, der eine ist 65, der andere 77 Jahre alt. Es zeigt sich schnell, dass die beiden in den Rahmen des CTM-Festivals passen. Mitchell beginnt das Konzert mit vorsichtigem geblasenen Sopransaxofontönen, Lewis steuert über sein Laptop elektronisches Wabern bei. Aufs Warmspielen folgen Improvisationen mit ständig variierenden Mitteln.

Lewis ist Musiktheoretiker und Posaunist, Mitchell war Mitglied des Art Ensemble of Chicago, dessen afrozentristischer Jazz schon in den Sechzigern revolutionär war. In den letzten Jahren haben beide sich zunehmend von jeglichem Jazz-Idiom entfernt, hin zu einer Improvisationsmusik, bei der es kein Stück mehr groovt oder swingt. Nachdem Lewis kurz an seinem Rechner herumgespielt hat, greift er zu seiner Posaune, lässt sie dann aber doch wieder liegen, setzt sich erneut vor sein Laptop und steuert damit einen Flügel an, der sich zu einem wie von Geisterhand selbst spielenden Piano transformiert. Dann verlässt er den Raum, während Mitchell es sich auf einem Stuhl bequem macht und einfach mal minutenlang den Pianoclustern lauscht, die sich im Raum verbreiten.

Der Computer spielt mit

Dann kehrt Lewis zurück, was eben noch wie eine absurde Perfomance wirkte, bekommt wieder Gravitas. Der Flügel wird über eine spezielle Software angesteuert, die Eigenschaften von Künstlicher Intelligenz hat, das Klavier spielt nicht nur irgendetwas vor sich hin, sondern reagiert live auf die Musiker aus Fleisch und Blut.

So tröten, jaulen und zischeln bald nicht nur Saxofon und Posaune mit- und gegeneinander, sondern das selbst spielende Klavier emanzipiert sich zum gleichberechtigten Partner. Aus dem Duo wird ein echtes Trio. Ein geisterhafter Abend.

Zur Startseite