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Georg Grosz im Kollwitzmuseum: Ein Künstler wird zerstört

Gebrochen durch den Triumph der Nazis: Eine Ausstellung im Kollwitzmuseum über George Grosz’ Zeit im Exil und seine Rückkehr.

Umziehen in Berlin ist derzeit ziemlich kompliziert. Das erfährt auch das Kollwitzmuseum in der Fasanenstraße, dem vor zwei Jahren vom Vermieter gekündigt wurde. Galerist Bernd Schultz wollte in der schmucken Gründerzeitvilla ein Exilmuseum gründen, deshalb sollte das Kollwitzmuseum sich flugs eine neue Bleibe suchen. Vergangenes Jahr bot Kultursenator Klaus Lederer das ehemalige Archivgebäude der Akademie der Künste am Charlottenburger Schloss als Ersatzquartier an. Doch aus dem Umzug wird nichts. Die baulichen Voraussetzungen für einen Museumsbetrieb waren nicht gegeben, ein Umbau wohl zu kostspielig. Die Suche nach einem neuen Standort geht weiter.

Museumschefin Josefine Gabler sieht das alles ganz entspannt, anders als ihre Vorgängerin, die zermürbt vor zwei Jahren aufgab. Denn der Druck auf die Kollwitzsammlung, möglichst rasch auszuziehen, ist auf einmal weg. Das Gründungsteam des Exilmuseum präferiert inzwischen einen Neubau am Anhalter Bahnhof. Das private Kollwitzmuseum kann eine ortsübliche Miete in der Fasanenstraße aber auf Dauer nicht erwirtschaften und sucht weiterhin eine günstigere Lösung. Es werde geplant und verhandelt, sagt Gabler zuversichtlich: „Alles ist im Fluss.“ Zu möglichen Standorten äußert sie sich vorsichtshalber nicht.

Es hat Witz, dass nun ausgerechnet eine Sonderausstellung im Kollwitzmuseum klar macht, wozu ein Exilmuseum gut wäre. Ausgehend von den Entschädigungsakten des vertriebenen Zeichners George Grosz zeichnet sie eindrücklich die Zerstörung seiner künstlerischen Existenz durch die Nationalsozialisten nach. Gleich am Tag nach der Ernennung Hitlers zur Reichskanzler stürmte ein SA- Trupp seine Wohnung und das Atelier. Zum Glück hatte Grosz ein paar Tage zuvor Berlin verlassen, um in New York an einer Kunstschule zu lehren. Schon im März 1933 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen und 300 seiner Werke aus öffentlichen und privaten Sammlungen als „entartete Kunst“ beschlagnahmt. Auch das Vermögen seiner Frau Eva hat der NS-Staat eingezogen.

Grosz war durch den Aufstieg der Nazis traumatisiert

In den USA gehörte Grosz zu den prominenten Exilanten, doch der scharfe Strich, mit dem er Spießer, Militärs, Huren, Krüppel und Arbeitslose gezeichnet hatte, ging verloren. Die meisten Emigranten tun sich schwer, ihr Zufluchtsland so schonungslos anzugreifen wie das eigene. Verkäufliche Bilder für den US-Kunstmarkt zu malen, dazu war Grosz nicht in der Lage. In dem ätzenden Satiriker steckte, wen wundert es, ein hochgradig empfindsamer Mensch. Nach außen hin ließ er sich nicht unterkriegen, aber er war durch den Triumph der Nazis traumatisiert, litt unter Angstattacken, ersäufte seine Panik in Alkohol. Seine Albträume müssen fürchterlich gewesen sein. Als hätte er die Fotos der Leichenberge schon gesehen, malte er Hitler 1934 als gesichtslosen Zombie. Sich selbst porträtierte Grosz 1939 als Kassandra. Todtraurig ist auch sein surreales Bildnis eines greisen „Maler des Lochs“. Es entstand 1950, ein Porträt des Künstlers im Atomzeitalter.

[„Das Huhn im Kopf“, Käthe-Kollwitz- Museum, Fasanenstraße 24, bis 27. 10., tägl. 11–18 Uhr. „George Grosz, Rudolf Omansen und ein Huhn“, Büchergilde Gutenberg 2019, 76 Seiten, 28 Euro]

59 siedelte er mit seiner Frau nach Berlin über

Grosz wollte nie wieder nach Deutschland zurück. Erst auf Drängen seiner Frau stellt er einen Entschädigungsantrag in West-Berlin. Er sei ein „in seiner Persönlichkeit gebrochener Mensch“, attestierte ihm 1958 der Arzt Rudolf Omansen, Leiter des medizinischen Dienstes beim Entschädigungsamt. Damit war der Weg für eine Zahlung von 79 240 D-Mark frei, Ausgleich für den erlittenen Schaden an Leib und Seele. Der Ausgang des Verfahrens und der Ankauf seines Hauptwerks „Stützen der Gesellschaft“ durch die Berliner Nationalgalerie bewogen Grosz und seine Frau, im Frühsommer 1959 wieder nach Berlin überzusiedeln.

Mit dem jüngeren Arzt Rudolf Omansen, der auch Erzählungen und Romane schrieb, entwickelte sich eine Künstlerfreundschaft. Grosz hinterließ fünf Zeichnungen zur Erzählung „Das unheimliche Huhn“, die vom Wahnsinnigwerden eines Professors handelt. Dieser wiederentdeckte Zyklus ist mit weiteren morbiden Geschichten Omansens nun erstmals als Buch erschienen. Die bibliophile Ausgrabung war Anlass für die kleine, aber präzise kuratierten Werkauswahl im Kollwitzmuseum, nur ein paar Schritte von Grosz‘ letzter Adresse entfernt: Wenige Wochen nach der Rückkehr nach Berlin starb er nach einer durchzechten Nacht im Flur des Hauses Savignyplatz 5, in dem viele seiner Zeichnungen und die „Stützen der Gesellschaft“ die Nazijahre gut versteckt überdauert hatten.

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