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Die Gemäldegalerie Alte Meister im Semperbau von der Zewingerseite aus gesehen. Sie eröffnet nach sechsjähriger Sanierungszeit wieder am 29. Februar 2020.

© Rolf Brockschmidt

Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden: Ein Schloss für die Kunst

Am 29. Februar 2020 eröffnet die Gemäldegalerie Alte Meister im Semperbau in Dresden ihre Pforten. Ein Blick vorab hinter die Kulissen

Ein Schloss sollte es schon sein, ein Schloss für die Kunst. Und so präsentiert sich heute Gottfried Sempers Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden: Ein rund 127 Meter langer Riegel mit Kuppel im Stil der italienischen Hochrenaissance schließt den Zwingergarten ab. Der Theaterplatz auf der Nordseite wird also gleich von zwei Bauten Sempers gerahmt, eben der Gemäldegalerie - und dem nach ihm benannten Opernhaus.

1838 erhielt der Architekt vom sächsischen König August II. den Auftrag zum Bau einer zeitgemäßen Heimstatt für die bedeutende königliche Gemälde- und Skulpturensammlung aus der Zeit von der Renaissance bis 1800. Die Bauzeit war von 1847 bis 1854, dann öffnete das Schloss für die Kunst seine Tore.

Der Durchgang in der Mitte wirkt wie ein Triumphbogen, und wenn man - vom Theaterplatz kommend rechts - das Gebäude betritt, befindet man sich in einem prächtigen Vestibül, das in der Tat eher an ein Schloss als ein Museum erinnert. So soll es, wenn der Bau nach sechsjähriger Renovierung am 29. Februar 2020 eröffnet, wieder zu erleben sein.

Die Kronleuchter aus der DDR-Zeit verschwinden, die Deckengewölbe werden von den Säulen aus indirekt angestrahlt. Gleich im Entrée begrüßen künftig die kolossalen Statuen von Apoll und Minerva des Zwinger-Erbauers Balthasar Permoser die Besucher. Apoll ist 2,20 Meter hoch, Minerva sogar 2,45 Meter.

Über eine Treppe mit rotem Läufer betritt man künftig das Gebäude. „Semper hat das Treppenhaus ohne künstliches Licht geplant, natürliches Licht fällt durch die Fenster ein“, erzählt Stephan Koja, der Direktor der Gemäldegalerie. „Wir werden die Fenster wieder öffnen und die Gemälde von den Kapitellen aus beleuchten.“ Auch das Fresko „Empfang der Maria von Spanien (durch die Familie Ragazzoni 1581)“ von Francesco Montemezzano wurde restauriert und mit seinen stattlichen Maßen von 4,63 mal 4,15 Metern am Fuße der „Schlosstreppe“ so in die Wand eingelassen, dass der Bogen des Bildes mit den Bögen des Treppenhauses harmoniert.

Im Entréesaal werden die Sammler und ihre Stadt gezeigt, vor allem August der Starke, mal auf seinem Pferd sitzend. Ein Modell des „Goldenen Reiters“ soll hier ebenfalls aufgestellt werden. Das Nebeneinander von Gemälden und Skulpturen stimmt den Besucher auf etwas ein, was es lange nicht mehr in der Gemäldegalerie zu sehen und erleben gab.

Mitarbeiterin bei der Vorbereitung der Hängung von Gemälden im Semperbau am Zwinger. Niederländer werden nun auf grüner Wand zu sehen sein.
Mitarbeiterin bei der Vorbereitung der Hängung von Gemälden im Semperbau am Zwinger. Niederländer werden nun auf grüner Wand zu sehen sein.

© SKD, Fotograf: David Pinzer

„Unser Museum erzählt Geschichten aus der Neuzeit, in der die Freiheitsrechte entstanden sind und das Individuum nach dem antiken Menschenbild entdeckt wurde. Die Künstler der Renaissance und des Barock antworten darauf, das Christentum verfeinert das Bild“, erklärt Stephan Koja. So werden in Zukunft schon im Skulpturengang, der sich an den Saal anschließt, Skulpturen der Antike und der Renaissance mit den Wandgemälden in einen Dialog treten. Die Kunstwerke erscheinen im Wortsinn in neuem Licht, das durch die Fenster vom Zwinger in die Galerie strömt. Durch diese natürliche Beleuchtung verändert sich auch der Schattenwurf stündlich.

Der Skulpturengang beginnt mit Bacchus und einer polychromen Athene, eine Christusstatue aus rot-weißem Untersberger Marmor aus Salzburg zeigt die Meisterschaft Permosers, der die rote Äderung des Marmors so geschickt nutzt, dass sein leidender Christus am Kopf zu bluten scheint. Ein antiker Faun wird dem „Tanzenden Faun“ von Adriaen de Vries gegenübergestellt.

Mitarbeiter beraten über Vermittlung venezianischer Malerei im Semperbau am Zwinger. Italiener werden nun auf rotem Grund gezeigt.
Mitarbeiter beraten über Vermittlung venezianischer Malerei im Semperbau am Zwinger. Italiener werden nun auf rotem Grund gezeigt.

© SKD, Fotograf: David Pinzer

Dank ihrer Forschungen hat Kuratorin Claudia Kryza-Gerschim im vergangenen Jahr die vier Dresdner Alabaster-Statuetten „Tageszeiten“ nach Michelangelo eindeutig dem Frühwerk Giambolognas zuschreiben können. Giambologna hat es fertig gebracht, Michelangelos Skulpturen in seiner Kopie perfekt zu vollenden, wo dieser nicht fertig geworden war. Der Flame Giambologna war der erste Künstler der Renaissance, der in Florenz in Alabaster gearbeitet hat und dieses in Nordeuropa beliebte Material beherrschte. Dadurch konnte die Zuschreibung eindeutig erfolgen.

Ein weiterer Höhepunkt des Skulpturenganges ist die Reiterstatue „Marc Aurel“ von Filarete. Er war der erste, der verkleinerte Bronzekopien großer Figuren schuf und damit eine Mode auslöste. Selbstbewusst setzte er ein blaues Emailzeichen ins Zaumzeug des Pferde als sein Markenzeichen. Es ist mit bloßem Auge kaum zu sehen, wird aber mit neuer, punktueller Lichttechnik für die Besucher zu erkennen sein. Überhaupt Beleuchtung: Neben dem Tageslicht, das nun wieder durch die Fenster strömt und die Verbindung zur Architektur des Zwingers herstellt, legen die Verantwortlichen Wert auf eine spezifische Lichtgestaltung.

Vorbereitung für den großen Auftritt: Restaurator Christoph Schölzel mit Vermeers Briefleserin in der Restaurierungswerkstatt Gemälde im Albertinum.
Vorbereitung für den großen Auftritt: Restaurator Christoph Schölzel mit Vermeers Briefleserin in der Restaurierungswerkstatt Gemälde im Albertinum.

© SKD, Fotograf: David Pinzer.

Im ersten Saal ist das sofort erkennbar. Einerseits strahlen die monumentalen Gemälde der Italiener schon von allein in ihren massiven, goldenen Rahmen auf den roten Wänden. Da die Meister südlich der Alpen aber vornehmlich auf Pappelholz malten, ist es sehr riskant, sie zu reinigen, da der Schaden unter Umständen größer wäre als der Nutzen. „Also restaurieren wir mit Licht“, sagt Koja. „Durch Einlegen von Blaufiltern nehmen wir den Gelbstich aus den Gemälden, ohne etwas an ihnen zu verändern.“ Auch der zweite große Raum wird den Italienern gewidmet, wieder hängen die Bilder auf rotem Grund. Die Wandfarben erleichtern dem Besucher so auch die Orientierung über die Malschulen. Blau steht für Franzosen und Spanier, Grün für die Niederländer, Rot für die Italiener. Für sie allein hat man 50 Farbtafeln mit verschiedenen Rottönen getestet

Sächsischer Erfindergeist bei den Rollos

Das Licht kommt künftig von einem rechteckigen filigranen Gestell, an dem die Strahler hängen. Aber was tun, wo man mit Rollos abdunkeln muss, um Spiegelungen zu vermeiden? „Ein klassisches Rollo wird von unten nach oben gezogen, das nutzt uns hier aber nichts“, erzählt Koja. Also habe er so lange auf seine Techniker eingeredet, bis sie ein System entwickelten, das es individuell erlaubt, das Rollo von oben herabzulassen, sodass Tageslicht vor die Gemälde auf den Boden fällt. Sachsen sind eben findige Leute.

Präsentation und Inszenierung sind Stephan Koja wichtig, die Besucher, so sein Credo, müssen Kunst erleben. Dialog und Abwechslung verstärken die Aufmerksamkeit. Also werden in einem abgedunkelten Nebenraum in großen Vitrinen vier flämische Tapisserien aus der Werkstatt von Pieter van Aelst ausgestellt und so beleuchtet, dass ihre restaurierten Gold- und Silberfäden strahlen werden. „Der Strohhaufen, auf dem das Christuskind liegt, ist aus purem Gold. Das wird ein Fest, auf das ich mich schon jetzt freue“, sagt Koja.

Rembrandt Harmenszoon van Rijn, Ganymed in den Fängen des Adlers, 1635, Gemäldegalerie Alte Meister mit Hendrick de Keyser, Weinendes Kind, 1615/20, Skulpturensammlung
Rembrandt Harmenszoon van Rijn, Ganymed in den Fängen des Adlers, 1635, Gemäldegalerie Alte Meister mit Hendrick de Keyser, Weinendes Kind, 1615/20, Skulpturensammlung

© SKD, Fotograf: David Pinzer

Henrick de Keyser: "Weinendes Kind", 1615/160, SKD, Skulpturensammlung. De Keyser kannte Rembrandt. Die Ähnlichkeit mit dem Ganymed auf Rembrandts Gemälde ist verblüffend.
Henrick de Keyser: "Weinendes Kind", 1615/160, SKD, Skulpturensammlung. De Keyser kannte Rembrandt. Die Ähnlichkeit mit dem Ganymed auf Rembrandts Gemälde ist verblüffend.

© Rolf Brockschmidt

Wie sehr künftig Skulpturen und Gemälde in Wechselwirkung treten, zeigt sich an Rembrandts berühmtem Gemälde „Ganymed in den Fängen des Adlers“. Der pinkelnde Junge mit verzerrtem Gesicht weist eine frappierende Ähnlichkeit mit einem weinenden Kinderkopf des niederländischen Bildhauers Hendrick de Keyser auf, das vor dem Gemälde ausgestellt wird. „Rembrandt und de Keyser kannten sich. Es ist offensichtlich, dass Rembrandt den Kinderkopf als Modell nutzte", sagt Koja.

Beim Gang durch die hohen Säle ahnt man jetzt schon, welches Fest die Augen künftig erwartet. Wie etwa das Gemälde „Gebet des heiligen Bonaventura um die Wahl des neuen Papstes“ ein Werk von Francisco de Zurbarán mit vielen Rot-und Schwarztönen auf der dunkelblauen Wand im goldenen Rahmen strahlen wird. Apropos Rahmen: 1500 geschnitzte vergoldete Rahmen sind im Besitz der Sammlung. Durch sie entfalten die Gemälde in ihrer Hängung eine besondere Pracht, die Inszenierung ist perfekt.

Am 29. Februar 2020 öffnet die Gemäldegalerie Alte Meister im Semperbau am Zwinger nach sechsjähriger Sanierungsphase wieder ihre Pforten. Bis dahin ist bis zum 5. Januar im Erdgeschoss eine Ausstellung mit Spitzenwerken der Galerie zu sehen.
Am 29. Februar 2020 öffnet die Gemäldegalerie Alte Meister im Semperbau am Zwinger nach sechsjähriger Sanierungsphase wieder ihre Pforten. Bis dahin ist bis zum 5. Januar im Erdgeschoss eine Ausstellung mit Spitzenwerken der Galerie zu sehen.

© Rolf Brockschmidt

Im neu geschaffenen Semperkabinett im Obergeschoss sowie im Erdgeschoss soll es in Zukunft mehr Raum für Wechselausstellungen geben. Die 120 antiken Skulpturen wandern ebenfalls ins Erdgeschoss, dafür gewinnt man Platz für ein einladendes Café. Wer Glück hat. ergattert dort einen Platz am Fenster, mit spektakulärem Blick auf den Zwinger.

Einen Vorgeschmack auf künftige Ausstellungen und das Potenzial der Gemäldegalerie zeigt noch bis zum 5. Januar die Schau „Glanzlichter der Gemäldegalerie Alte Meister“ mit 55 Spitzenwerken. Ein „Best of“ vermittelt in drei Sälen die hohe Qualität der Sammlung. Im Mittelsaal thront die „Sixtinische Madonna“, das Kultbild von Raffael. Spitzenwerke wie Rembrandts „Ganymed“ und Vermeers „Bei der Kupplerin“ sowie Porträts von Tizian und Velázquez oder die „Schlummernde Venus“ von Giorgione beeindrucken.

Ein Besuch Dresdens lohnt sich also schon jetzt, um die Höhepunkte dieser Sammlung zu bewundern. Die Eröffnung der Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wird das Erlebnis allerdings deutlich steigern.

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