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Dahrendorf

© dpa

Geistesgeschichte: Soziologe Lord Ralf Dahrendorf ist tot

Der deutsch-britische Soziologe und Politiker Lord Ralf Dahrendorf ist nach schwerer Krankheit im Alter von 80 Jahren gestorben. Dahrendorf war einer der bedeutendsten deutschen Gesellschaftswissenschaftler.

Dahrendorf starb am Mittwochabend in Köln. Dies teilte der Chefredakteur der "Badischen Zeitung", Thomas Hauser, mit. Er hatte mit der Witwe gesprochen. Dahrendorf war als Berater für die Zeitung tätig.

Der 1929 in Hamburg geborene Dahrendorf war einer der bedeutendsten deutschen Gesellschaftswissenschaftler und ein Intellektueller, der sich politisch engagierte. Von 1958 bis 1960 lehrte er Soziologie in Hamburg, Tübingen und Konstanz. Der Sohn eines SPD-Reichstagsabgeordneten war zunächst Mitlied der SPD, wechselte jedoch 1967 zur FDP. Eine prominente Rolle spielte er in der Diskussion um die 68er-Bewegung. Er arbeitete von 1969 bis 1970 als Bundestagsabgeordneter in Bonn und bis 1974 als EU-Kommissar für Außenhandel und für Wissenschaft in Brüssel.

Hernach widmete er sich wieder der Forschung und Lehre. Im Jahr 1984 folgte er einem Ruf an die London School of Economics. Lehraufträge führten ihn nach New York und schließlich nach Oxford, wo er von 1991 bis 1997 als Prorektor der Universität wirkte.

Seine gesellschafts- und bildungspolitischen Schriften wurden in aller Welt gelesen. Zu den Publikationen Dahrendorfs in der jüngeren Vergangenheit gehören seine Betrachtungen über die Revolution in Europa (1990) und der als Summe seiner Sozialwissenschaft geltende Band Der moderne soziale Konflikt (dt.: 1992). Zu Beginn seiner Karriere erregte er Aufsehen unter anderem mit seiner Habilitationsschrift Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft (1957) und Gesellschaft und Demokratie in Deutschland (1965).

Die britische Königin Elisabeth II. schlug ihn 1982 zum Ritter, einige Jahre später nahm er die britische Staatsbürgerschaft an. 1993 wurde er zum Mitglied des britischen Oberhauses ernannt.

Ralf Dahrendorf war Träger zahlreicher bedeutender Auszeichnungen: 1989 erhielt er den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, 1997 den Theodor-Heuss-Preis für sein politisches und geisteswissenschaftliches Lebenswerk, 2002 den ersten Walter-Hallstein-Preis in Frankfurt. Im Jahr 2007 wurde er mit dem namhaften Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte Sozialwissenschaften geehrt. Zweimal wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Ralf Dahrendorf lebte in London und im Schwarzwald. Er war zweimal verheiratet, zuletzt mit einer Amerikanerin. Aus der ersten, geschiedenen Ehe mit einer Engländerin stammen drei Töchter. Seine Beerdigung wird voraussichtlich in London stattfinden. (ZEIT ONLINE, dpa, sp, raw)

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