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Die Themengärten zählen zu Frankreichs wichtigsten Gartenanlagen und den schönsten an der Côte d’Azur. Alle Hobbys und Vorlieben der Besitzerin sind hier repräsentiert. Alle 20 Minuten beginnen neue Wasserspiele zu Musik - und das seit über 100 Jahren.

© Rolf Brockschmidt

Gartenkunst bei Nizza: Das Paradies auf Cap Ferrat

Baroness de Rothschild ließ 1905 in Saint-Jean-Cap-Ferrat an der Côte d’Azur einen Park mit Themengärten anlegen

Rhythmisch schießen die Fontänen in die Höhe, sacken in sich zusammen und neue sprudeln empor. Von links und rechts bilden zwei schräg ansteigende Wasserstrahlen einen Torbogen. Spektakulär, gewiss, aber der Clou ist, dass man dieses Ballett der Fontänen zu Musik anschauen kann. Mehr als 100 Jahre ist diese Vorrichtung alt, die sich Béatrice Éphrussi de Rothschild (1864- 1934) im Park ihrer Villa auf Cap Ferrat bei Nizza hat anlegen lassen. Alle 20 Minuten ertönt in diesem Französischen Garten ein Musikstück, in dessen Takt das Wasser aus dem Becken schießt: Walzer, Ravels Bolero, populäre Melodien, die heute die Besucher und einst die Baronin erfreuten. Wahrscheinlich saß sie in der Loggia ihrer prächtigen Villa im Renaissance-Stil, die sie zwischen 1905 und 1912 erbauen ließ, und genoss das ungewöhnliche Spektakel.

Die Wasserspiele, die auf das Wunderbarste Natur und Kunst verbinden, sind nur ein kleines Detail aus dem Paradies, das sich die Enkelin des Bankiers James de Rothschild, der die berühmte Bankiersdynastie begründet hatte, errichten ließ. Béatrice Éphrussi de Rothschild war unglaublich reich, exzentrisch und kunstverliebt. Kein Wunder, war sie doch in einem Haushalt von Kunstmäzenen groß geworden. Mit 19 Jahren heiratete sie Baron Maurice Éphrussi aus Odessa; allerdings war die Ehe äußerst unglücklich. Nach der Scheidung 1904 flüchtete Béatrice in eine Traumwelt, reiste viel, umgab sich mit erlesenen Kunstwerken und ließ sich eben jene Villa „Ile de France“ bei Saint-Jean-Cap-Ferrat bei Nizza errichten. Doch damit nicht genug – sie träumte davon, auf der schmalen felsigen Landzunge, die hinter der Villa in das Mittelmeer ragte und atemberaubende Blicke bot, einen Garten anzulegen.

Der Natur auf die Sprünge geholfen

Der Natur wurde dabei ein wenig auf die Sprünge geholfen. Mit einer gehörigen Portion Dynamit wurden die störenden Felsen weggesprengt und das Gelände mit Unmengen an Erde von Hunderten italienischer Bauarbeiter so lange nivelliert, bis es eben war. Um den heftigen Stürmen am Cap Ferrat zu trotzen, ließ sie seitlich an den Rändern ihres Gartens große Glasscheiben errichten, wie man sie von Windfängen auf Dampfern kennt.

Blick auf die Villa Éphrussi de Rothschild und den Französischen Garten. Die Villa war 1983 Drehort des James-Bond-Films „Sag niemals nie“ mit Sean Connery. 
Blick auf die Villa Éphrussi de Rothschild und den Französischen Garten. Die Villa war 1983 Drehort des James-Bond-Films „Sag niemals nie“ mit Sean Connery. 

© Rolf Brockschmidt

Schon beim Aufstieg auf dem steilen Weg zur Villa wird man von Palmen am Hang gegrüßt, deren sattes Grün sich vor dem Tiefblau der Cote d’Azur abhebt. Von hier oben betrachtet versteht man, warum dieser Küstenstrich so getauft wurde. Béatrice hatte sich das spektakulärste Stück Land an der Küste zwischen Nizza und Monaco, wo sie oft zum Spielen weilte, gesichert. Eigentlich wollte Leopold II. von Belgien den Park seiner benachbarten Villa erweitern, doch Béatrice war schneller. Ihr Anwesen im Stile eines Renaissance-Palastes ist schon auf dem Vorhof von hohen Pinien und Yuccas umgeben. Die dichte grüne „Wand“ schützt das Haus vor dem Wind. Der geometrische Französische Garten mit seinen geordneten Rabatten, Wasserbecken und Fontänen lässt sich wunderbar von der Loggia der Villa aus studieren.

Ein kleiner Kanal führt zu einem bewaldeten Hügel, auf dem ein Liebestempel thront, von dem aus man erneut einen atemberaubenden Blick auf Garten und Villa hat. Béatrice interessierte sich vor allem für die Anlagen, die sie von der Villa aus sehen konnte, so auch den Sèvres-Garten seitlich der Villa, der von ihrem Esszimmer aus zugänglich war und den sie im provençalischen Stil bepflanzen und mit Architekturelementen schmücken ließ.

Louis Marchand hat die Gärten von 1934 an wiederhergestellt

Von hier aus beginnt ein wunderbarer Spaziergang durch sieben weitere Themengärten. Ein immenser Aufwand für ein Anwesen; dabei hielt sich Béatrice kaum auf Cap Ferrat auf. Als ihr Mann 1916 starb, kehrte sie nie wieder zurück und vermachte 1933 in ihrem Testament die Villa, die Gärten und ihre Sammlungen der Académie des Beaux-Arts.

Louis Marchand hat die Gärten von 1934 an wiederhergestellt

Dass wir die Gärten heute noch so genießen und bestaunen können, verdanken wir Louis Marchand, der von 1934 an im Auftrag des Institut de France, das das Anwesen überschrieben bekam, die Gärten wiederherstellte. Die wunderbare Abfolge der Anlagen ist das Werk dieses Hobbymalers und Botanikers, der als Gartengestalter zu seiner Zeit hoch angesehen war.

Vom schattigen, intimen Sèvres-Garten gelangt man in den spanischen Garten mit seinen ockerfarbenen Wänden und andalusisch-maurischen Elementen. Er liegt unterhalb des Felsens, auf dem die Villa und der Französische Garten thronen. Wasserbecken verschaffen Kühlung, die hohen Bäume spenden Schatten. Die Gartenfolge schlängelt sich entlang des Hanges mit freiem Blick auf das blaue Meer der Bucht von Villefranche. Als Nächstes betritt man den florentinischen Garten. Von dort gelangen Besucher über eine kunstvoll geschwungene Treppe wieder in den oberen Französischen Garten. Passend zu den italienischen Statuen, die ihn schmücken, geht es in den Steingarten mit antiken und mittelalterlichen Architekturfragmenten. Schattig und Grün ist es hier, eher streng als üppig blühend.

Der Bambuswald im Japanischen Garten.
Der Bambuswald im Japanischen Garten.

© Rolf Brockschmidt

Ein passender Übergang in den exotischen Japanischen Garten. Geharkte Kiesflächen mit Steinlaternen und Steintafeln mit japanischen Gedichten lassen vergessen, dass wir uns in Südfrankreich befinden. Ein Tor aus dicken Bambusrohren und ein kleines Bambuswäldchen erhöhen den exotischen Eindruck.

Der verstärkt sich erst recht in dem sogenannten Exotischen – früher Mexikanischen – Garten mit seinen Drachenbäumen und Kakteen. Doch zunächst folgt man dem Hangpfad zum Rosengarten, der sich am Ende der Anlage an den Hügel schmiegt und fantastische Aussichten auf die Buchten von Villefranche und Saint-Jean-Cap-Ferrat bietet. Hier blühen vor allem erlesene französische Rosensorten, darunter die des Baron de Rothschild, eine Referenz an die Familie. Von dem kleinen Tempel mit seinen korinthischen Säulen empfiehlt es sich, den Weg zurück auf dem oberen Pfad durch den Exotischen Garten zu nehmen, vorbei an prächtigen dicken Agaven. Es erforderte großes gärtnerisches Können und erhebliche Mittel, diesen Garten wieder so herzustellen, wie er sich jetzt darbietet – denn ein verheerender Frost hatte ihn im Jahr 1985 praktisch komplett zerstört. Durch den provençalischen Garten mit Olivenbäumen, Lavendel und Schwertlilien gelangt man wieder zum Liebestempel, der einen prächtigen Ausblick auf die Villa bietet.

Wer noch Zeit findet, kann das Anwesen erkunden, die Kunstschätze bewundern, die die Baronin hier versammelt hat, und immer wieder die Aussicht auf die Cote d’Azur genießen. Mag Béatrice de Rothschild eine exzentrische Dame gewesen sein, der Nachwelt hat sie ein bedeutendes Kulturdenkmal hinterlassen.

Weitere Informationen: www.villa-ephrussi.com

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