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Der britische Dirigent John Eliot Gardiner.

© Bea Kallos/dpa

Gardiners Monteverdi-Triologie: Lang ersehnt

Dreieinhalb Stunden Spannung in der Philharmonie: „Ulisse“, der zweite Teil aus Sir John Eliot Gardiners Monteverdi-Zyklus.

Penelope ist die Hauptfigur der Oper „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“, und sie singt gleich zu Beginn eine Klage, die dem berühmten „Lamento d’Arianna“ nahe ist: „Der armseligen Königin bohrender Kummer.“ Misera regina. Man stelle sich vor, dass die Abwesenheit ihres Gatten Odysseus bereits 20 Jahre währt. Und nun geht sie in der Oper von Claudio Monteverdi durch einen Garten der Gefühle, die gemischt sind und einmal sogar tot.

Dreieinhalb Stunden Spannung in der Philharmonie. Ein esoterischer Kreis ist das nicht. Denn John Eliot Gardiner geht in seinem etablierten Monteverdi-Zyklus so vor, als sei jede Aufführung Premiere. So auch an diesem zweiten Abend.

Penelope erkennt den heimgekehrten Odysseus nicht. Da aber ihre Freier sie bedrängen, einen zu heiraten, greift sie zu dem Ausweg: Wem es gelänge, den Bogen des Odysseus zu spannen, der solle neben ihr in Ithaka herrschen. Sofort ist sie entsetzt über ihr eigenes Wort „ganz gegen mein Herz“. Diesen Zusammenbruch macht Lucile Richardot zu einem bewegenden Gefühlsmoment. Denn in der halbszenischen Aufführung ist die wunderbar deklamierende Mezzosopranistin führende Schauspielerin. Trotz der Umarmung mit Odysseus, lieto fine, bleibt die Tragödie präsent. Luigi Dallapiccola, einer der Bearbeiter des Werks, lässt den Odysseus seiner eigenen Oper sagen: „O Traurigkeit der Heimkehr.“

Musik durchleuchtet die Psyche der Menschen

Im Licht ihrer Pultlampen musizieren die English Baroque Soloists im abgedunkelten Saal. Gardiner wacht wie ein getreuer Korrepetitor über die beredten Tempowechsel, rezitativischen Gesang, tänzerische Einlagen. Historische Instrumente von lieblichen Blockflöten zu der langen Chitarrone mit den Bordunsaiten sorgen für variablen Ton, der den Charakteren dient. Und ihren Standpunkten, die sie in dem Musikdrama verteidigen. Anna Dennis etwa als leichtlebige Zofe, tanzend mit ihrem Partner Zachary Wilder, das geborene Buffopaar. Oder Robert Burt als „Vielfresser“ Iros, der in bezaubernder Gassenhauer-Komödiantik amüsiert. Mit kolorierter Arie ist Hana Blazikova die lenkende Göttin Minerva. An der Spitze des großen Ensembles Furio Zanasi, dramatischer und zugleich lyrischer Bariton in der Titelrolle. Krystian Adam, als Sohn Telemach tenoral glänzend, duettiert mit ihm in einer zu Herzen gehenden Erkennungsszene: „O lang ersehnter Vater!“ Die Musik durchleuchtet die Psyche der Menschen, die Affekte. Große Konzentration im Publikum, großer Jubel.

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