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Kleine Kostbarkeit. Die Zeichnung „Puppy Love“ (1929) der Künstlerin Dodo.

© Kunkel Fine Art

Gallery Weekend: Im Boudoir der Bilder

Genäht, geschnitten, zerrissen: Bei der zweiten Ausgabe der Messe Paper Positions lässt sich die ganze Bandbreite von Kunst auf Papier bewundern.

Bei der Paper Positions dreht sich alles um Kunst aus Papier. Das können Zeichnungen mit Bleistift, Kugelschreiber, Grafit oder Tusche sein, aber auch Collagen, Scherenschnitte, abstrakte und figurale Skulpturen sowie Fotografie. In der zweiten Ausgabe der Kunstmesse lässt sich die ganze Bandbreite der Arbeiten auf Papier bewundern.

Wer solch eine Messe ausrichtet, muss eine Passion haben. „Uns begeistert dieses Medium. Auf anderen Messen kommt es oft zu kurz oder geht unter, weil die Galeristen dort aufgrund des Kostendrucks lieber größere Arbeiten zeigen“, sagt Kristian Jarmuschek, der die Paper Positions zusammen mit Heinrich Carstens gegründet hat. „Bei uns steht das Medium Papier im Vordergrund, und für die Galeristen ist unsere Messe bezahlbar.“

Für jeden etwas da

Über 40 Galerien beteiligen sich diesmal, zehn mehr als im vergangenen Jahr. Ein Grund für den Umzug aus dem Bikini-Gebäude in Charlottenburg nach Mitte in die elegante ehemalige Telegrafenhalle von 1878 mit ihren großzügigen Räumen unter Tageslicht, die die Messe wie einen Salon wirken lassen. „Wir wollten wachsen und vor allem internationaler werden“, erklärt Heinrich Carstens den Ortswechsel. Sehr souverän präsentiert sich die Messe dort und soll mit der offenen Architektur Begeisterung für Arbeiten auf Papier wecken. „In Berlin wächst seit einiger Zeit eine neue Sammlerschicht heran. Und Papierarbeiten gelten bekanntermaßen als Einstiegsdroge beim Kunstkauf“, meint Carstens.

Bei Preisen von 200 bis 125 000 Euro ist tatsächlich für jeden etwas da. Auch zeigt die Messe nicht nur zeitgenössische Arbeiten wie die mit Silberpapier und Kohlezeichnung hergestellten Collagen zum Erzgebirge von Michael Merkel bei Jarmuschek + Partner oder die textil anmutenden abstrakten Tuschefederzeichnungen von Felix Baxmann in der Galerie Martin Mertens. Hier finden sich auch historische Positionen etwa beim Kunsthandel Ralph R. Haugwitz das feinstrichige Bleistiftporträt eines jungen Mannes von Johann Wilhelm Krafft von 1836, bei dem allein das zerzauste Haar meisterhaft dargestellt ist (9000 Euro). Die Galerie Kunkel Fine Art aus München präsentiert Berliner Zeichenkunst vom Realismus bis zur Neuen Sachlichkeit mit Künstlern wie Adolph von Menzel, Max Liebermann, George Grosz, Otto Dix, Jeanne Mammen, Dodo und anderen (4800-125 000 Euro).

Künstler aus den 70er und 80ern werden wiederentdeckt

Sehr wichtig ist den beiden Messemachern noch etwas: „Die Besucher sollen hier auch Wiederentdeckungen machen“, sagt Heinrich Carstens. „Es gibt so viele Künstler, die in sechziger bis achtziger Jahren erfolgreich waren und dennoch in Vergessenheit geraten sind. Das ist zurzeit sowohl bei Kuratoren als auch Sammlern ein wichtiges Thema.“ Mit Karol Bethkes geometrischen Studien aus bunten Lackfarben auf Rechenpapier zeigt die Galerie Bernheimer Contemporary einen solchen Künstler und die Galerie Thomas Fuchs aus Stuttgart erneut Bilder aus der Schwulenszene im New York der Achtziger von Patrick Angus.

Darüber hinaus gibt es vieles zu entdecken wie etwa die abstrakten Collagen aus Buchdeckeln von Thomas Koch bei zs art (680-4650 Euro), die komplette Nachbildung eines Eingangs zu einem Spielsalon als poppig bunte Papierschnittnachbildung von Marion Eichmann bei Tammen & Partner oder einen Vorhang aus Papierfiguren von Lindy Annis bei Bernet Bertram. Es gibt rissige Schattenporträts von Gil Shachar bei Semjon Contemporary, ätherische Filmdiven aus der Stummfilmzeit von Miriam Vlaming, die bei Arno Rink- und Neo Rauch studiert hat, bei Von & Von aus Nürnberg (12 000 Euro), schwungvolle Einstrichzeichnungen von Petra Lottje bei Jarmuschek + Partner (1100 Euro), Schreibmaschinenzeichnungen mit Motiven früher Nintendo-Spiele von Arno Beck bei Golestani aus Düsseldorf und herrliche Acrylmalereien auf Maulbeerpapier der Koreanerin Eun Nim Ro (13 000 Euro) bei der Galerie Horst Dietrich.

Die erste Ausgabe war ein großer Erfolg

Unter den Fotoarbeiten sind die Stillleben von Vera Mercer oder die leicht surrealen Porträts von Albrecht Tübke bei der Münchner Galerie Jordanow. Die italienische Künstlerin Valentina Murabitobearbeitet ihre schwarz-weißen Fotografien in der Dunkelkammer mit Chemikalien und bietet das malerische Ergebnis bei Benjamin Eck an (ab 7000 Euro). Nur scheinbar um Fotografien handelt es sich bei den rätselhaften Zeichnungen am Stand von Samuel Freeman aus Los Angeles: Martin Mull, Jahrgang 1943, schafft Szenen wie aus einem Hitchcockfilm, den man nie gesehen hat, weil es ihn gar nicht gibt (3250-10000 Euro). Objekthaft wird Papier am Stand von Nanna Preußners aus Hamburg, die Papierschnittarbeiten von Angela Glajcar anbietet. Die in Berlin ansässige XC.HuA Galleries haben Werke des chinesischen Künstlers Wu Wei dabei.

Nach dem Erfolg der ersten Paper Positions 2017 in Berlin wanderte das kleine, feine Messeformat bereits im selben Jahr nach München: „Das war ein großer Erfolg“, meint Kristian Jarmuschek. „Gar nicht so sehr wegen der Besucherströme, die waren nämlich geringer als in Berlin. Aber dafür kamen viele Sammler. Für die Galeristen ergaben sich in München lukrative Verkäufe.“ So viel Resonanz in kürzester Zeit hat die beiden Macher auf neue Ideen gebracht: Ihre nächste Station wird schon im Juni Basel sein, parallel zur dortigen Messe Art Basel zeigt die Positions Kunst auf Papier. Und sie träumen weiter. „Ich könnte mir vorstellen, mit der Paper Positions auch einmal Europa zu verlassen und nach Mexiko, Südamerika oder China zu gehen“, verrät Jarmuschek. „Aber jetzt entwickeln wir erst einmal Basel, dann sehen wir weiter.“

Angela Hohmann

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