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Ohne Fluchtpunkt. Die Werke von Jan Wawrzyniak.

© Galerie Kajetan

Galerie Kajetan zeigt Jan Wawrzyniak: Abstrakte Malerei, die zum Perspektivwechsel zwingt

In den Werken von Jan Wawrzyniak fehlt der sichere Standort für den Beobachter. Das macht sie ungemein befreiend.

Das Bild hängt schief, davon ist man einen Moment lang überzeugt. Es zeigt einen leeren Raum, so glaubt man – bis klar wird, dass seine Perspektive niemals stimmen kann.

Jan Wawrzyniak treibt einem die simpelsten Gewissheiten bezüglich der Malerei aus, und vielleicht liegt es daran, dass der 1971 Geborene vielen als Zeichner gilt.

Als Künstler also, der sich zwar die Leinwand als Träger für seine Motive geschnappt hat, ansonsten aber wenig für das Medium Malerei interessiert.

Es beginnt schon mit Wawrzyniaks Material. Das tiefe Schwarz auf seinen Bildern, die aktuell in der Galerie Kajetan gezeigt werden, resultiert aus der Verwendung von Zeichenkohle. Kein Öl, kein Acryl.

Die schwarze Kohle, nuanciert eingesetzt, ergibt auch jene grauen Zonen in diversen Schattierungen, die der Künstler neben das undurchdringliche Dunkel setzt. Beides kontrastiert wiederum mit der weißen Leinwand, von der nie klar wird, ob sie das Bild nun ins Unendliche öffnet oder flächig verschließt.

Es fehlt ein sicherer Standort für den Betrachter

Jedes neue Hinschauen konstruiert ein anderes Motiv. Mal erscheinen einem Kompositionen wie pure Geometrie, dann wieder klappen die Flächen vor und zurück. Ein Ort entsteht, Licht und Schatten deuten etwas Architektonisches an, das sich am Ende dennoch nicht zu einem stimmigen Eindruck fügen will.

Es fehlen: Fluchtpunkte, Perspektiven, ein sicherer Standort für den Betrachter.

All das ist Absicht. Wer in älteren Katalogen etwa zu seiner Ausstellung 2008 im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern und danach dem Cottbusser Dieselkraftwerk blättert, stößt auf „Vorbilder“, die noch Fenster und Staffelungen in die Tiefe des illusionären Raums aufweisen.

[Galerie Kajetan Berlin, Gneisenaustr. 1, Hof 2; bis 23. 11., Mi–Fr 14–19, Sa 12–16 Uhr]

Zwar sind auch diese Werke streng schwarz-weiß, doch sie wirken im Vergleich geradezu narrativ. Seit dieser Zeit hat Jan Wawrzyniak seine Sujets immer weiter verdichtet. Alles liegt offen, die radikalen Konstruktionen scheinen ohne Geheimnis und wollen sich doch nicht offenbaren.

Sind es Flächen oder Räume, Abstraktionen oder derart konkrete Motive, dass man vor lauter Nähe das Ganze nicht sieht? Eine Unauflösbarkeit, die der Text zur Ausstellung treffend beschreibt: „Obwohl die Bilder klar und deutlich definiert sind, lassen sie sich kaum zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen.“

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Das irritiert zuerst und fasziniert im zweiten Schritt. Denn im Haltlosen, Schwebenden, Ungreifbaren des reduzierten Vokabulars verbirgt sich zugleich eine immense interpretatorische Freiheit.

Wawrzyniak konstruiert „Forms of Aporia“ – so nennt der in Berlin lebende Künstler, Träger des Will-Grohmann-Preises von 2011, die Ausstellung. Es sind Formen der Aporie, denen man ihren Widerspruch nie wird austreiben können, weil er Teil ihrer Natur ist.

Für den Betrachter der Werke (Preise auf Anfrage) bedeutet es, dass er sich, statt schauend zu interpretieren, auf eine Erfahrung einlassen muss. Und auch deren Fülle resultiert aus absoluter Zurücknahme – ein Widerspruch, den es ebenfalls auszuhalten gilt.

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