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Treten Sie näher. Jakob Häglsperger,  Johannes Rögner und Martin Steer (v. l.) kamen vor sechs Jahren aus München nach Berlin.

© Paul Aidan Perry

Frittenbude: Mauer der Liebe

Zweifelnde Hedonisten: Die Elektro-Punk-Band Frittenbude feiert ihr zehnjähriges Jubiläum. Ein Treffen vor dem Berliner Konzert.

Dieser Text muss etwas platt beginnen, es geht leider nicht anders: Wo will sich eine Band zum Interview verabreden, die sich Frittenbude nennt? Nein, nicht in einem Imbiss. Die drei Musiker schlagen als Treffpunkt ein russisches Restaurant in Friedrichshain vor. Pommes sucht man auf der Speisekarte vergeblich. Dafür gibt es hier Hering im Pelzmantel, Moskauer Schnitzel und Pelmeni. Im Hintergrund läuft russische Folklore, später wird der Kellner Birkenwodka spendieren.

Will man die Umstände dieses Treffens mit Bedeutung aufladen, könnte man meinen, die Musiker hätten selbst die Schnauze voll von Frittenbude. Aber das Gegenteil ist der Fall. Trotz diverser Soloprojekte der einzelnen Mitglieder findet die Band immer wieder zusammen. Gerade feiert sie ihr zehnjähriges Bestehen. Darum sind Frittenbude derzeit auf Jubiläumstour durch Deutschland, nächsten Samstag spielen sie im Huxley’s. Es ist der letzte Termin ihrer Reise, er findet in ihrer Wahlheimat statt.

Konfettiregen, Tierkostüme, dazu harte Techno-Bretter und die Raps von Frontmann Johannes Rögner: Das sind die Zutaten, aus denen ein Frittenbude-Konzert besteht. Den schweißtreibenden Irrsinn auf der Bühne dankt das Publikum mit seligen Gesichtern und in die Luft gereckten Armen. Zum Höhepunkt der Show pflegt Zeremonienmeister Rögner die Menge in zwei Hälften zu teilen. Die fiependen Synthies drehen sich dann in die Höhe. Und wenn schließlich der Beat einsetzt, darf sich die Masse wieder vereinen. Aber nicht zum aggressionsgeladenen Aufeinanderspringen, sondern zum Knuddeln und Einhaken. Als „wall of love“ bezeichnet die Band dieses Ritual, als Mauer der Liebe.

"Ich mag Bier und ich mag Rave"

Für das, was Frittenbude machen, fand ein Kritiker einst einen wenig schmeichelhaften Begriff: Bier-Rave. Soll heißen, die Ekstase geht mit dem Konsum größerer Mengen Alkohol einher. Im Gespräch sieht Johannes Rögner das gelassen. „Ich finde das nicht schlimm. Ich mag Bier und ich mag Rave.“ In den zurückliegenden zehn Jahren mussten er und seine Bandkollegen sich ohnehin so einiges anhören. Immer wieder: Vergleiche mit den Hamburger Kollegen von Deichkind. Wer Elektropunk mit Sprechgesang und Remmidemmi macht, muss wohl damit rechnen. Aber auch daran haben sich die Musiker gewöhnt. „Es gibt schlimmere Bands, mit denen man verglichen werden kann“, sagt Rögner, „wir mögen Deichkind.“

Neuerdings ist diese Gegenüberstellung ohnehin nicht mehr ganz korrekt. Spätestens seit Veröffentlichung des vierten Albums im vergangenen Jahr, um genau zu sein. Frittenbude geht die Dinge darauf etwas ruhiger an als auf den Vorgängern, ein Lied singen sie sogar zusammen mit Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow („Was am Ende bleibt“). Sie geben jetzt nicht mehr ausschließlich die verschallerten Krawallheinis, die Hedonismus als einzig gültige Lebensphilosophie zelebrieren. Sie lassen nun manchmal die Ironie weg und den Zweifel zu.

Auf ihrer Tour werden sie von einem Jazz-Drummer und einem Keyboarder begleitet. Manchen dienen diese Indizien als Beleg für eine neue Reife. Das Trio sei erwachsen geworden, heißt es. Das mag formal stimmen – wir sprechen schließlich über gestandene Thirtysomethings –, ist inhaltlich aber völliger Blödsinn. Jakob Häglsperger formuliert es lieber so: „Es geht uns darum, den Spaß an der Musik nicht zu verlieren. Sonst wäre es nur noch Arbeit, keine Leidenschaft mehr.“

Die Leidenschaft ist Frittenbude nach wie vor anzumerken. „Küken des Orion“ heißt die neue Platte. Das beweist, schon mal, dass den Musikern zumindest der Spaß an Titeln mit Tiernamen nicht vergangen ist – die ersten drei Werke hießen „Nachtigall“, „Katzengold“ und „Delfinarium“. Auf dem Cover des aktuellen Albums schaut ein Alpaka famos bescheuert ins Nichts. Oder: ins Nirgendwo, das in der ersten Auskopplung „Die Möglichkeit eines Lamas“ eine zentrale Rolle spielt. Darin rappt Johannes Rögner über eine warme, elegische Synthie-Melodie: „Diese Straße, sie führt dich irgendwo hin / Vielleicht führt sie dich aber auch nirgendwo hin / Aber Nirgendwo muss ja auch irgendwo sein / Und irgendwann findet jeder mal heim.“ Das Stück handelt vom „Marathonlauf um den Platz an der Sonne“, vom „erhabenen Stuss“ des Lebens und seiner verschiedenen Phasen; im dazugehörigen Video regnet es in einer Szene Fritten und Pommes-Pieker.

Deutschland fühlt sich immer noch so deutsch an

Im Fall von Frittenbude fing der erhabene Stuss kurz nach der Jahrtausendwende im niederbayerischen Geisenhausen an. Die drei Jungs lernten sich übers Basketballspielen und Skateboardfahren kennen. Beides lief nicht gut. Musik hingegen schon, sie wurde der gemeinsame Nenner und blieb es auch, als die Jungs die Provinz verließen und nach München zogen. Irgendwann gab es eine Demo-CD mit einer Handvoll Liedern. Und ein Festival, bei dem Frittenbude vor der Mediengruppe Telekommander auftraten. „Da merkten wir, dass die Zeit reif war“, sagt Gitarrist Martin Steer, „dass die Leute unser Zeug geil finden.“ Der Eindruck täuschte nicht, kurz darauf unterschrieben sie einen Vertrag beim Hamburger Label Audiolith. Ein Luxusproblem, mit dem Steer daraufhin konfrontiert war: Zum Aufnahmetest der Mannheimer Pop-Akademie gehen oder sich lieber auf die Band konzentrieren? Er entschied sich für letzteres und bereut es bis heute nicht.

Vor sechs Jahren ließen die Musiker Bayern komplett hinter sich und zogen nach Berlin. München sei für sie „gegessen“ gewesen, sagt Johannes Rögner. „Wir haben hier einfach mehr Spaß und genießen die Stadt.“ Martin Steer fällt ihm ins Wort, schwärmt vom Booking im Berghain, den vielen Konzerten und wilden Partys. Hat Berlin einen Einfluss auf den Sound von Frittenbude? „Das hat der Ort, an dem man lebt, immer“, findet Rögner, ohne es aber spezifischer benennen zu können. Als Berliner Band sieht sich das Trio dennoch nicht. „Die Autobahn ist unser Zuhause“, sagt Soundtüftler Jakob Häglsperger Es klingt wie eine Selbstvergewisserung.

In ihren stärksten Momenten zeigen sich Frittenbude als eine Band mit Haltung. Etwa in dem Song „Deutschland 500“, den sie mit dem Berliner Quartett Egotronic aufgenommen haben. Darin bemängelten die Musiker, dass sich Deutschland immer noch so deutsch anfühle: „Deine Banken, deine Parks, deine Schranken, deine Bahn, deine Deutschen, keine Chance!“ An diesem Gefühl hat sich bis heute nichts geändert. Und so blicken Frittenbude in „Stürzende Helden“ sogar noch weiter. Über einem druckvollen Synthie-Beat rappt Johannes Rögner: „Zäune um Egos / Grenzen aus Wasser / verdurstete Schwimmer und erschossene Gaffer / Stürzende Helden / Wann stürzen die Helden? / Wann stürzen wir Helden? / Sie stürzen so selten!“ Wer will, kann zu Rögners Worten wild tanzen. Oder darüber einfach nur zustimmend den Kopf schütteln.

Konzert am 13.2., 20 Uhr, in Huxley’s Neuer Welt. Das Album „Küken des Orion“ ist bei Audiolith erschienen.

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