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Klassisch gebildet. Nach dem Lustschloss „Belriguardo“ in Goethes „Tasso“ benannte der Kronprinz seine geplante Potsdamer Residenz, die er in dieser Zeichnung von 1823 in der indischen Schrift Devanagari benennt. Die Zeichnung wird von der Stiftung Schlösser und Gärten Potsdam verwahrt, Schinkels Blatt (u.) vom Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin.

© SPSG (o.)/SMB PK, KK

Friedrich Wilhelm IV. und Schinkel: Der König träumt

Der wichtigste Auftraggeber des preußischen Baumeisters Schinkel war Friedrich Wilhelm IV. - als Kronprinz und als König. Ein Berliner Symposium beschäftigte sich jetzt mit Preußen, Schinkel, Stüler und der Architektur.

Die historische Erinnerung dieses Jahres richtet sich auf Friedrich den Großen, und das zu Recht. Sein Urgroßneffe Friedrich Wilhelm, als König der vierte Träger dieses Namens (reg. 1840– 1858/61), bleibt schemenhaft. Ihm galten 1995 aus Anlass des 200. Geburtstags zahlreiche Veranstaltungen in Potsdam. Friedrich Wilhelm hat in seiner 18-jährigen Regierungszeit, vor allem aber im 23-jährigen Wartestand als Kronprinz eine Art Doppelexistenz als Fürst und als Künstler geführt, wie es sie in Preußen vor und nach ihm nicht gegeben hat: Der „Romantiker auf dem Königsthron“.

7000 Zeichnungen von der Hand Friedrich Wilhelms sind erhalten und werden von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gehütet. Ja, hat der Mann denn unausgesetzt gezeichnet? Schlösser und Burgen, Kirchen und Dome hat er entworfen, und außerdem hat er auch noch ein – zu Lebzeiten unveröffentlichtes, ja unbekannt gebliebenes – Romanfragment hinterlassen, dessen Titel „Die Königin von Borneo“ zusammen mit der Entstehungszeit 1816/17 ganz dem Bild vom königlichen Romantiker entspricht. Die bereits zu Lebzeiten des Königs von dem liberalen Publizisten David Friedrich Strauß, und zwar ein Jahr vor der Revolution von 1848 geprägte Formel wird im Sinne reinen Künstlertums verstanden. Doch das blendet die politische Geschichte aus. Denn Friedrich Wilhelm war, mochte er sich auch als Künstler, als Baumeister, als Schöngeist wohlergefühlt haben denn als Fürst und späterhin Staatenlenker, doch zugleich ein Doktrinär, der verbissen an seinen spätestens mit der Französischen Revolution überholten Ansichten vom Gottesgnadentum der monarchischen Staatsform festhielt. Die bürgerliche Erhebung von 1848 hat er mit allen Mitteln, auch des Wortbruchs, bekämpft.

Die Fixierung allein auf den Künstler und Auftraggeber der Künste ließ denn auch in dem ertragreichen Symposium „Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Politik, Kunst, Ideal“, das am Wochenende im Kulturforum am Matthäikirchplatz abgehalten wurde, eine spürbare Lücke offen. Gemeinsam veranstaltet von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin und dem Deutschen Historischen Museum, richtete die Tagung den Blick auf die so rätselhafte wie kulturell produktivste Ära des preußischen Königtums.

Dafür steht ein weiterer Name, derjenige Karl Friedrich Schinkels, der als Baumeister Preußens die Ideale der kulturellen Elite seiner Zeit ebenso teilte wie ihnen architektonisch zur Erscheinung verhalf. Dass gerade Schinkel vom Kronprinzen be- und ausgenutzt wurde – als König erlebte ihn der rastlose Baumeister wegen seines allzu frühen Todes 1841 nicht mehr –, verweist auf die Selbstbezogenheit, die Friedrich Wilhelm eigen war, und lässt dessen Realitätsverweigerung ahnen, die nach der Besteigung des preußischen Thrones zum Entsetzen der Öffentlichkeit wirkungsmächtig wurde.

„Seine politische Romantik“, so hat es einmal Peter Paret als Kenner preußisch-deutscher Kulturgeschichte ausgedrückt – „über die selbst seine nächsten Anhänger die Achsel zuckten, war Verbrämung eines absoluten Willens zur Machterhaltung, auch wenn er selbst Macht nicht besonders gut zu handhaben verstand.“ Unter dieser Perspektive ist das Kunstwollen Friedrich Wilhelms zu sehen. Ihm ging es nicht um die „ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts“ wie bei Schiller, sondern um die Befestigung seiner Vorstellung vom gottgesandten Herrscher.

„Da man ihm die Möglichkeit verweigerte, seine politischen und kirchlichen Ideen in die Tat umzusetzen“, schreibt David Barclay in seiner viel beachteten Biografie von 1995, „gab sich der Kronprinz mit Vergnügen seinen architektonischen Ideen hin.“ Ob es reines „Vergnügen“ war, sei angesichts der von Depressionen überschatteten Persönlichkeit des Kronprinzen dahingestellt. Der fromme und frömmelnde Monarch erträumte sich eine riesige altrömische Basilika zwischen Schloss und (Altem) Museum, zunächst auf dem Lustgarten, dann hart an dessen Rand. Noch 1859, als ihm nach Schlaganfällen die Kräfte schwanden und er bereits seinen jüngeren Bruder Wilhelm mit der Regentschaft hatte betrauen müssen, wollte er den Bau eines Domes mit hoher Kuppel nach dem Entwurf des „Baumeisters des Königs“ durchsetzen, des Schinkel-Schülers Friedrich August Stüler – ein Ansinnen, das alsbald kommentarlos in den Akten verschwand.

Schon Treitschke hatte den König verächtlich als „Dilettanten auf allen Gebieten“ bezeichnet, „nicht zuletzt dem politischen“. Aber gilt das auch für seine künstlerischen Bemühungen? Peter Betthausen, Ex-Direktor der Ost-Berliner Nationalgalerie, tat beim Symposium Friedrich Wilhelms Zeichnungen als „nicht relevant ab“. Oho! In dem von ihm gerühmten Potsdamer Ausstellungskatalog heißt es hingegen , „die ,Entwürfe’ des Kronprinzen“ gehörten „zum Großartigsten, was unter dem Einfluss der restaurativen Monarchie in Europa entstanden ist“.

Immerhin betonte Eva Börsch-Supan, die Doyenne der Architekturgeschichtsschreibung Preußens, dass „die Mehrheit der Skizzen Friedrich Wilhelms Originalideen“ seien – allerdings fehle zur Beurteilung der Urheberschaft „der mündliche Austausch, das gemeinsame Zeichnen“ mit den Architekten, in der Kronprinzenzeit Schinkel, später dann der (willfährige) Stüler. Über drei Jahrzehnte verfolgt Friedrich Wilhelm den Plan eines Residenzschlosses in Potsdam auf dem gegenüberliegenden Havelufer, italienisierend „Belriguardo“ genannt, den Rolf H. Johannsen vorstellte.

Von Eva Börsch-Supan liegt nunmehr der zentrale Band XXI des „Schinkel-Lebenswerks“ vor: die Arbeiten für den Kronprinzen Friedrich Wilhelm und dessen Vater, König Friedrich Wilhelm III. Darin spricht die Autorin über das Verhältnis des Architekten zum Kronprinzen von „geradezu dialogartig aufeinander abgestimmten Entwurfszeichnungen“. Für den von Friedrich Wilhelm erweiterten Park von Sanssouci trug die Zusammenarbeit schönste Früchte. Charlottenhof und die „Römischen Bäder“sind Ausdruck der von beiden geteilten Italiensehnsucht.

Die Havellandschaft von Potsdam in ein südländisches Arkadien zu verwandeln, war Friedrich Wilhelms Anliegen, so wie er in ganz Preußen „planmäßige Landesverschönerung“ betrieb, nicht zuletzt in den 1815 hinzugewonnenen Rheinlanden. Während für Potsdam Klassizismus und römische Antike vorbildhaft wurden, lebte der König seine Mittelaltersehnsucht in den Burgen des Rheintales aus, angefangen mit Stolzenfels bei Koblenz, das er – wiederum nach Erstentwurf von Schinkel, doch wesentlich abgeändert – zu einer idealen Behausung christlicher Ritter herrichten ließ.

Es ist dieser historische Stillstand, den Friedrich Wilhelm IV. wollte, in Gestalt einer ständischen Ordnung mit dem König an der Spitze. Er selbst sah sich als frommer, weiser und gütiger Monarch.

Eva Börsch-Supan: Karl Friedrich Schinkel. Arbeiten für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.). Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2011, 723 S., zahlr.Abb., 168 €.

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