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Die zentrale Spielstätte vor der Alten Nationalgalerie.

© Simulation: Berlinale

Freiluftbühne vor der Alten Nationalgalerie: Wie die Berlinale die Museumsinsel erobert

Die Berlinale baut sich erstmals ein eigenes Open-Air-Kino: Ein Besuch hinter den Kulissen der Freiluftbühne auf der Museumsinsel.

Dass Kino im Dunkeln stattfindet, ist der Standard einer Kulturtechnik, die ihre emotionale Kraft aus dem Spiel von Licht und Schatten schöpft. Bei der Sommer-Berlinale jedoch, die jetzt in die kürzesten Nächte des Jahres fällt, finden Filmvorführungen um 21.30 Uhr, um, 20, 18, ja sogar schon um 17 Uhr statt. Wie in aller Welt funktioniert es, dass man trotzdem etwas sieht?

„Die Traverse, die da drüben gerade nach oben fährt, ist der Anschlagpunkt für die LED-Module, die gleich gehängt werden, um die Bildwand zu montieren“, erläutert Berlinale-Technikchef Michael Greulich bei einem Rundgang über die zentrale Festival-Location. Damit ist schon mal eine Katze aus dem Sack: die Berlinale-Leinwand auf der Museumsinsel ist gar keine. Es handelt sich um eine Videowand, die ohne Projektor oder Beamer funktioniert. Wie die Riesenfernseher, die bei Open-Air-Konzerten rechts und links der Bühne stehen. Oder wie die LED-Wand im Sony-Center.

Die würde schließlich auch rund um die Uhr bespielt, sagt Greulich, der den Job seit acht Jahren macht. „Der Pixelabstand beträgt 4,8 Millimeter, das ist der beste Standard für eine Draußenwand, den man bekommen kann.“ Sieben Meter Sehabstand benötigt das Auge mindestens, um die Bildinformation auf der acht Meter hohen und zwölf Meter breiten Fläche zu erfassen. Reihe 34, ganz am Ende der L-förmigen Bestuhlung, ist ungefähr 44 Meter entfernt.

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Lieferwagen, Kabelrollen und jede Menge Techniker im auch von Roadies bevorzugten Bühnenschwarz bevölkern am Montagmittag den Hof zwischen Alter Nationalgalerie und Neuem Museum. Der mit Gaze umwickelte Bühnenturm der Bildwand dreht den Kolonnaden an der Bodestraße den Rücken zu. Anders als bei den eingeführten Ufa-Kinonächten, die den Hof genau andersherum bespielen.

Endlich wieder gemeinsam Kino erleben

Seit dem 31. Mai wird die Freiluftbühne hier aufgebaut. Vorzugsweise montags, wenn die Häuser der Museumsinsel ihren Schließtag haben, entsteht eine komplette Kino-Infrastruktur. Zur Eröffnung an diesem Mittwoch und dann allabendlich werden 900 Stühle auf dem Hof zwischen Alter Nationalgalerie und Neuem Museum stehen. Sie bieten – mit dem derzeit nötigen Abstand – 450 Zuschauerinnen Platz. Selbstverständlich inklusive Gastrostand, Große-Taschen- Garderobe und Toilettenanlage. „Die ist sonst nicht unser Thema“, merkt Greulich an. Gelasse dieser Art sind in den Berliner Kinos, die das Festival sonst im Februar bespielt, ja vorhanden.

So kurz vor dem Berlinale-Start nimmt nicht nur die Bildwand Gestalt an, sondern auch der mit Scheinwerfer-Traversen überbaute „Medienteppich“. Er ersetzt in der Festival-Pandemieausgabe, die eine begrenzte Anzahl prominenter Gäste empfängt, gewissermaßen den Roten Teppich vor dem Berlinale-Palast. Das Normalo-Publikum betritt das Kino durch die spreeseitigen Kolonnaden und verlässt das Gelände später rückwärtig Richtung James-Simon-Galerie. In einem Plastikzelt gegenüber der „Leinwand“ sitzt die Technikkontrolle. Deren Chef, der Kinodienstleister Tammo Buhren, sonst ein „hundertzehnprozentiger Kinomann“, glaubt, dass die LED-Technik die künstlerische Qualität von Arthousefilmen einigermaßen vermitteln kann. Im Vordergrund des Publikumsevents stünde schließlich die Freude darüber, endlich wieder gemeinsam Kino zu erleben. Wer will da schon Pixel zählen.

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Weil die Berlinale die Filme nicht per Glasfaserkabel in die 16 kooperierenden Freiluftkinos überspielen kann, wie es bei einer Normalausgabe sonst üblich ist, werden die Filme wieder auf Festplatten von Kurieren in die Kinos ausgeliefert. Die wiederum arbeiten klassisch mit Projektoren und Leinwänden. Im Freiluftkino Hasenheide werde eigens ein Projektionstunnel gebaut, um Kinderfilme schon um 17 Uhr zeigen zu können, erzählt Michael Greulich. „Das ist ein schwarzer Guckkasten, der dann die Projektionsfläche beschattet.“

Um die LED-Wand auf der Museumsinsel statisch gegen Windböen abzusichern, wird sie mit Wassertanks beschwert, die 30 000 Liter fassen. Deren Abtransport nach Festivalende gestalte sich einfacher als bei der Winter-Berlinale, glaubt der Technikchef. Da wird die Statik der Videowall am Marlene-Dietrich-Platz ebenfalls mit Wassertanks beschwert. „Doch weil es im Februar meistens friert, müssen wir hinterher tausende Liter Eis abtransportieren.“

Sollte auf der Museumsinsel Juni-Regen niedergehen, laufen die Vorführungen übrigens weiter. Nur Starkregen und Gewitter sind Abbruchgründe. Ansonsten gilt: Regenzeug anziehen, statt mit Schirmen zu wedeln. Dass die Atmosphäre beim Freiluftfestival ablenkungsreicher ausfällt als drinnen, wird die Filmkunst angesichts der tollen Kulisse der Museumsinsel und des Berliner Doms gewiss mal verschmerzen.

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