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Wo sind die Frauen? Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker bei einem Open-Air-Konzert vor dem Brandenburger Tor 2019.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Frauenanteil in der Klassik: Die alte Ungleichheit wächst sich aus

Eine neue Studie des Deutschen Musikinformationszentrum zu Geschlechtergerechtigkeit in Berufsorchestern stellt fest: Frauen holen auf.

Deutschland ist weltweit spitze bei der Angebotsdichte von klassischer Musik. 129 öffentlich finanzierte Orchester bieten hierzulande das ganze Jahr über Konzerte an, rechnet man alle Voll- und Teilzeitstellen sowie die Zeitverträge in diesem Bereich zusammen, kommt man auf fast 10 000 Beschäftigte. Rund 40 Prozent davon sind laut einer neuen Studie des Deutschen Musikinformationszentrums Frauen.

Damit mag dieser Teilbereich der Kultur zwar noch ein gutes Stück von der Gleichstellung entfernt sein – andererseits aber waren Berufsorchester über Jahrhunderte reine Männerbünde. Weibliche Profis werden erst seit gut 50 Jahren wirklich akzeptiert. So gesehen sind die Zahlen durchaus beeindruckend. 73 Orchester weisen mittlerweile sogar einen überdurchschnittlichen Frauenanteil auf.

Und auch das Problem der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen, der Gender Pay Gap, existiert nicht bei den staatlich alimentierten Orchestern. Weil alle Angestellten nach demselben Flächentarifvertrag bezahlt werden, den es dank dem außergewöhnlich hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Musikerinnen und Musiker gibt.

Gleiche Bezahlung bei den staatlich finanzierten Orchestern

Traditionelle Rollenmuster lassen sich dagegen noch bei der Wahl der Instrumente ablesen. Die höchsten Frauenanteile gibt es bei den Harfen – 93,7 Prozent der Stellen sind hier weiblich besetzt –, bei den Flöten 65,4 Prozent und den Streichern 49,6 Prozent. Die Männerbastionen sind weiterhin Tuba, hier stehen zwei Damen 103 Herren gegenüber. Bei Posaune, Pauke/Schlagwerk und Trompete sind jeweils rund 95 Prozent Männer.

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Ausbaufähig ist auch der Frauenanteil in den Führungspositionen der Orchester. Bei den Stimmführerinnen der Streicher besetzen Frauen ein Drittel der Stellen, bei den Blasinstrumenten sogar nur jede vierte.

In den internationalen Top-Orchestern sieht es sogar noch extremer aus: Dort entfallen nur knapp 22 Prozent der höheren Dienststellungen auf Musikerinnen. Spitzenformationen wie die Wiener und die Berliner Philharmoniker allerdings haben im Vergleich zu städtischen Theaterorchestern auch besonders spät angefangen, überhaupt Frauen aufzunehmen.

Nur noch bei den über 45-Jährigen dominieren die Männer

Bei der Online-Präsentation der Studie sahen zwei zugeschaltete Musikerinnen das Problem der „gläsernen Decke“ entspannt: Sowohl die Tubistin Ruth Ellendorff aus Oldenburg als auch die Geigerin Christiane Christians aus Saarbrücken glauben, dass sich die Dynamik hin zur vollständigen Geschlechtergerechtigkeit in den Berufsorchestern nicht aufhalten lässt.

Betrachtet man nämlich deren Altersstruktur, zeigt sich, dass die Männer nur noch in der Kohorte der über 45-Jährigen in der Überzahl sind.

Verbesserungsbedarf besteht für die Musikerinnen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da geht es etwa um flexible Kitabetreuungszeiten – weil Orchester nun mal vor allem abends und am Wochenende auftreten. Außerdem müssten Mädchen gezielt ermutigt werden, typische Jungsinstrumente zu erlernen.

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