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Literarisches Heiligtum. Joachim Gauck in der Académie française.

© dpa

Frankfurter Buchmesse: Wie sich Paris auf den Gastlandauftritt vorbereitet

„Frankfurt auf Französisch“: Das Gastland wird die eigene Sprache ins Zentrum rücken - und die Öffnung in Richtung allgemeines Kulturfestival weiter vorantreiben.

Im Herbst wird Frankreich das Gastland der Frankfurter Buchmesse sein – ein Großereignis, geht es doch dabei nicht nur um das bedeutendste Nachbarland Deutschlands, sondern mehr noch um die französische Sprache. „Sprechen wir über die Einladung Frankreichs als Ehrengast“, so Paul de Sinety, der Generalkommissar des Auftritts, „sprechen wir in erster Linie über die Frage des Empfangs, die sich durch die Sprache selbst stellt.“ Hm. Das Originalzitat bedürfte sogar einer weitergehenden Übersetzung, denn der französische „accueil“ gibt zwar einen „Empfang“ her, kann aber auch als „Aufnahme“ oder „Rezeption“ gedeutet werden, wenn de Sinety hervorhebt, „dass von Peking bis Lyon, von Brüssel bis Bamako, von Los Angeles bis Paris auf Französisch geschrieben, also geträumt, gesprochen, übersetzt, geweint und geliebt, gezeichnet wird.“ Autoren unterschiedlichster Herkunftsländer bedienen sich des Französischen als „langue de préférence“, als Sprache ihrer Wahl.

Frankreich definiert sich als Nation zuallererst durch seine Sprache. Sie vor Verhunzung wie vor fremden Eindringlingen zu schützen, ist Aufgabe der Académie française, in die aufgenommen zu werden für viele Schriftsteller ein Traumziel ist. Ein Traumziel auch, als Ausländer mit den „Unsterblichen“, ihren 40 auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern, bei Sitzungen diskutieren zu dürfen.

Fehlt französischen Intellektuellen der Anschluss an die globale Debatte?

Bundespräsident Joachim Gauck wurde sie am vergangenen Donnerstag zuteil – als erstem Deutschen seit der Zeit Friedrichs des Großen vor 228 Jahren. Er teilte seine Ansichten über „romantisme“ die Romantik, mit. Beobachter waren nicht zugelassen, außer einer kleinen Equipe wissenschaftlicher Koryphäen, darunter der frühere Rektor des Wissenschaftskollegs, Wolf Lepenies, und die demnächst auch am Collège de France lehrende TU-Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy.

Mit dem scheidenden Bundespräsidenten trat auch der künftige in Paris auf. Frank-Walter Steinmeier nämlich eröffnete am Abend seines letzten Außenminister-Tages mit seinem Amtskollegen (und studierten Germanisten) Jean Marc Ayrault die „Nacht der Ideen“, die vorwiegend in Paris, aber durch das Institut français auch in Metropolen wie Berlin veranstaltet wird. Steinmeier begann wuchtig mit den Worten, Europa befinde sich „in der tiefsten Krise seit der europäischen Einigung“, hatte aber gerade nicht die „Antworten“ parat, „die wir in den letzten Jahren schuldig geblieben sind“. Man hatte nicht den Eindruck, dass die vor Tausenden von Schülern und Studenten im palastartigen Außenministerium am Quai d’Orsay eröffnete „Nacht“ sehr viele neue Ideen hervorbringen würde, jedenfalls wird sich der französische Buchmessenauftritt auch Dauerbrennern wie „Jugend und Ausbildung“, „Innovation und IT“ oder „Buch, französische Sprache und intellektuelle Debatten" widmen.

Dabei steht es gerade um den Anschluss französischer Intellektueller an die globalen Debatten nicht gut, will man dem Urteil des beim führenden Verlag Gallimard unter anderem für die Reihe „Essais“ zuständigen Eric Vigne folgen. Antoine Gallimard, seit 28 Jahren und in dritter Generation Chef des Hauses, hatte zum Besuch geladen und ließ seine komplette Herausgeberschaft antreten. Gallimard selbst beschwor den „Austausch zwischen diesen beiden für die europäische Kultur maßgeblichen Ländern“ und verwies auf die Reihe deutscher Autoren seines Verlages, angefangen mit Friedrich Hebbel, der gleich im Gründungsjahr 1911 verlegt wurde. Nachdem die Verlagsoberen reihum ihren geradezu selbstlosen Umgang mit den Autoren herausgestellt hatten, verwies Geschäftsmann Gallimard noch darauf, dass die Frankfurter Buchmesse dem Handel mit Lizenzen aller Herren Länder diene.

Es wird wieder Film und bildende Kunst vertreten sein

Das hätte Jürgen Boos, seit 2005 Direktor der Frankfurter Messe, nicht besser sagen können. Auch er kam zur Stippvisite, zu einem Abendessen im Obergeschoss des Restaurant Drouant, wo alljährlich die zehnköpfige Jury des einflussreichen Prix Goncourt tagt. Dass die Messe „mehr und mehr ein Kulturfestival“ mit Film, bildender Kunst und „bandes dessinées“ (auf gut Deutsch: Graphic Novels) wird, soll der französische Auftritt bestätigen.

„Francfort en français / Frankfurt auf Französisch“ heißt das gesamte Programm. Mit dem Oktober-Gastspiel erreicht es zwar seinen Höhepunkt, umfasst bis dahin jedoch „über 450 Veranstaltungen in mehr als 30 deutschen Städten, 200 Autoreneinladungen, über 1400 neue Übersetzungen ins Deutsche“, wie die Organisatoren verkünden. Im Mittelpunkt allen Wirbels steht aber die Sprache. Xavier North, einer der Top-Berater des Auftritts, sagte es bei einem Treffen im „Maison de la Poésie“ am schönsten, als er Französisch eine „langue dispersée mais désirée“ nannte: eine weit verstreute, aber rundherum begehrte Sprache.

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