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Doppelgesichtig . Joseph Beuys mit Sohn Wenzel, fotografiert von Liselotte Strelow 1967.

© Johanna Breede Photokunst

Fotografin Liselotte Strelow: Ihr Porträt von Theodor Heuss kam auf die Briefmarke

Schauspieler, Künstler, Politiker: Die Galerie Breede feiert die große Porträtistin Liselotte Strelow mit Aufnahmen aus ihrem Nachlass.

Die nahezu geschlossenen Augen Helene Weigels, das durch eine Hutkrempe gerahmte Gesicht von Marlene Dietrich oder Thomas Manns akkurates Dreiviertelprofil; die lässige Sitzhaltung von Gottfried Benn, der staatsmännische Ernst Konrad Adenauers und der durchdringende Blick von Joseph Beuys – all die intensiven Porträts der Fotografin Liselotte Strelow, die Johanna Breede zum 111. Geburtstag der Künstlerin zeigt, brennen sich ins Gedächtnis ein.

Wie bei allen Prominentenporträts stellt sich die Frage, ob das nicht eher an den tausendfach fotografierten Berühmtheiten liegt als an der einfühlsamen Fotografin, die stets nach der „psychologischen Wahrheit“ des Gegenübers strebte.

Es ist vielmehr die individuelle Persönlichkeit jenseits der jeweiligen Rolle, Pose oder Position, auf die Strelow ihren Fokus richtet. Meist ungeschönt und ungeschminkt, ohne große Requisiten oder Dekor, wenngleich behutsam inszeniert und im harten Schwarz-Weiß dramaturgisch zugespitzt, werden die Gesichter zum Spiegel ihrer Seele.

Doch nicht nur die Porträts all der Schauspieler, Schriftsteller, Künstler und Politiker der 1950er und 1960er Jahre geben Einblick in die menschliche Psyche. Die knappen Texte der Fotografin ermöglichen einen Blick hinter die Kamera. Selbstkritisch und nüchtern erzählt die Fotografin von der unaufhörlichen Suche nach dem einen richtigen Augenblick unter den spezifischen Bedingungen der jeweiligen Situation, Umgebung und Beleuchtung.

Dabei gelingen ihr bisweilen feuilletonistische Miniaturen, die von Hartnäckigkeit und Einfühlungsvermögen zeugen. Beide Eigenschaften waren die Voraussetzung für die Karriere als Fotografin, die ihr nicht in die Wiege gelegt war.

Mit schwerer Fotoausrüstung übers Land

Liselotte Strelow wuchs auf einem Gut in Pommern auf, erlernte ihr Handwerk ohne Schulabschluss 1930 im Berliner Letteverein und Fotoatelier der jüdischen Porträt- und Opernfotografin Suse Byk am Kurfürstendamm, das sie nach einer ersten Einstellung bei Kodak 1938 übernahm, als ihre Chefin nach Amerika emigrieren musste.

Mit Hilfe eines Darlehens konnte Strelow indes nur die Hälfte der geforderten Ablösesumme für die von ihr bewunderte Lehrherrin zusammenbringen. 1944 vernichtete ein Bombenangriff das Studio, ein Großteil des Archivs verbrannte.

In der Nachkriegszeit reiste die Fotografien mit ihrer schweren Fotoausrüstung durch das Land, oft genug per Anhalter, arbeitete für Gustav Gründgens in Düsseldorf und die Bayreuther Festspiele. Aus den Auftragsarbeiten entwickelte sie zunehmend ihre eigene psychologisierende Autorenfotografie.

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Mit ihren theatralischen Hell-Dunkel-Kontrasten, die noch an das expressionistische Theater und die Max-Reinhardt-Bühne im Berlin der 1920er Jahre erinnern, wurde Strelow nach August Sander und vor Stefan Moses zu einer der wichtigsten Theater- und Porträtfotografinnen Deutschlands.

Galerie der jungen Bundesrepublik

Und doch hielt sich ihr künstlerischer und finanzieller Erfolg in den Grenzen, die für die Fotografie der Zeit noch galten. Auch ihr Porträt des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, das milliardenfach als Briefmarke Verbreitung fand, änderte nichts daran, wie Strelow später nüchtern feststellt: „Wäre ich Musikerin und hätte etwa via Gema einen winzigen Honoraranteil von jenem Exemplar bekommen, wäre ich gewiss eine sehr reiche Frau geworden. Leider bin ich aber nur Fotografin.“

Erst zum 100. Geburtstag fand 2008 eine Retrospektive im Rheinischen Landesmuseum Bonn statt, das den Nachlass ihrer Porträtfotografie aufbewahrt.

[Johanna Breede Photokunst, Fasanenstr. 69, bis Do 31. 10., Di–Fr 11–18 Uhr]

Eine Seltenheit auf dem Kunstmarkt sind daher die rund 30 kleinformatigen Vintage- und vergrößerten Lifetime-Prints (1800 bis 5200 Euro), die sich bei Johanna Breede zu einer beeindruckenden Galerie der jungen Bundesrepublik zusammenfügen.

Dorothea Zwirner

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