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Sapeur seit 30 Jahren. Der 51-jährige Personalmanager Basile Gandzion, 2017 in seiner Heimatstadt Brazzaville.

© Kehrer Verlag/Tariq Zaidi

Fotografie: Die Dandys des Kongo

Ironischer Antikolonialismus: Tariq Zaidi fotografiert männliche und weibliche Sapeurs.

Übermütig hüpft Elie Fontaine Nsassoni im blauen Designeranzug durch sein Viertel, den Blick verzückt gen Himmel gerichtet. Mit der einen Hand stützt er sich auf einen Stock, in der anderen Hand hält er eine teure Ledertasche. Der 45-jährige Taxibesitzer will so gar nicht in die Umgebung passen. Die Straße ist ungepflastert, gesäumt von einem offenen Abwasserkanal, ein Huhn stolziert ihm hinterher. Aber er gehört hierher. Er ist ein Sapeur – und das seit 35 Jahren.

Der preisgekrönte englische Fotograf Tariq Zaidi hat sich nach Brazzaville in der Republik Kongo und nach Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) aufgemacht, um die Kultur der Sapeurs zu fotografieren, und zwar in deren unmittelbarer Umgebung. Das macht den Reiz dieser witzigen, aber auch würdevollen Fotos mit englischen Begleittexten aus, die er auf Schrottplätzen und Müllkippen sowie in den Wohnvierteln der einfachen Leute aufgenommen hat.

[Tariq Zaidi: Sapeurs. Ladies and Gentlemen of the Congo. Fotografien und Texte von Tariq Zaidi. Gestaltet von SMITH. Kehrer Verlag, Heidelberg/Berlin 2020. 176 Seiten, 35 €.]

Die ersten Sapeurs tauchten um 1920 im damaligen Belgisch-Kongo auf. Mit ihren farbenfrohen Anzügen machten sich die Sapeurs lustig über die Kolonialherren, die in ihren meist weißen Anzügen mit Weste bei 40 Grad mindestens so seltsam aussahen wie sie selbst. Ihr Stil war subversiv, wahrscheinlich kam er mit zurückgekehrten afrikanischen Soldaten der Kolonialtruppen nach Afrika. In Paris und Brüssel hatten sie die eleganten Herren und Dandys gesehen. In ihrer Übertreibung des Stils lag und liegt der Protest zunächst gegen die Kolonialherren, denn man wollte nicht die ihnen gönnerhaft überlassenen Secondhandklamotten auftragen. Man achtete auf Qualität, auch wenn man lange dafür sparen musste.

Pionier mit subversivem Geist

Die Herkunft der Bezeichnung Sapeur ist nicht abschließend geklärt, heute wird sie gerne als Abkürzung für „Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes“ betrachtet. Doch der Sapeur war zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch der unterste Rang französischer Pioniertruppen. Er grub Tunnel, um gegnerische Festungsbauten zum Einsturz zu bringen. Er war ein Pionier von subversivem Geist – das passt zum ursprünglich antikolonialen Habitus.

Die Bewegung ist längst nicht mehr auf Männer beschränkt. Wie ein Trio Infernal stolzieren die Geschäftsfrau Ntsimba Marie Jeanne im roten Anzug zu weißem Hemd, der zehnjährige Schüler Okili Nkoressa in einem Anzug von Yves Saint Laurent und einem kongolesischen Kilt neben der Polizistin Judith Nkoressa im blauen Anzug von Rubens und Fliege von Pierre Cardin durch ihr Hüttenviertel in Brazzaville. Ihre Nachbarn stehen staunend Spalier.

Wichtig sind Accessoires wie Spazierstöcke, Schirme, Schleifen, Brillen, Gürtel und Pfeifen. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts findet man sie auch in den Migrantenvierteln von Brüssel und Paris. Sie haben ganz normale Berufe. Erst nach Feierabend werfen sie sich in Schale, stolzieren durch ihr Viertel und grüßen die Nachbarn. Sie posieren vor Autowracks, rostigen Containern und vor kleinen Geschäften mit der typischen naiven Reklamemalerei. Tariq Zaidi hat ihr Vertrauen gewonnen.

Je bunter, desto besser

Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in der Demokratischen Republik Kongo betrug 2018 etwa 900 Euro. Da sind 1300 Euro für ein Paar Krokodillederschuhe schon eine Kraftanstrengung. „Sapeurs ziehen sich eher gut an, als dass sie gut essen“, lautet ein Sprichwort. Zaidi unterscheidet zwischen den Sapeurs von Brazzaville, die eher den französischen Stil in teuren Anzügen pflegen, und denen in Kinshasa, wo alles erlaubt ist: Je bunter, desto besser, einschließlich des japanischen Yamamoto-Stils bis hin zum schottischen Kilt mit Tartanmuster. Alles ist schrill und dennoch mit Geschmack zusammengestellt, sodass sich ein persönlicher Stil darstellen lässt.

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In den 1960er Jahren erlebten die Sapeurs eine Renaissance. Nach der Unabhängigkeit des Kongo reiste die modebewusste afrikanische Elite nach Europa und deckte sich mit teurer Mode ein. „Die weißen Menschen haben die Kleidung erfunden, aber wir machen daraus Kunst“, lautet ein Bonmot von Papa Wemba (1949–2016), dem legendären Musiker, der auch eine Ikone der Sapeur-Bewegung ist.

Versuche des Diktators Mobutu, europäische Mode zu verbannen und afrikanische Mode zu propagieren, scheiterten und die Bewegung der Sapeurs verstand ihr Beharren auf ihrem Kleidungsstil als ihre Form des Widerstands gegen den Diktator wie zuvor gegen die Kolonialherren.

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