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Sydney Poitier auf der Berlinale 1964, umringt von Fans, die zur besseren Sicht die Baukastenfassade der Kongresshalle hochklettern.

© Heinz Köster/Deutsche Kinemathek

Fotoausstellung zur Berlinale: Das Kino erobert die Stadt

Sonnenbrille, Pudelmütze - und die Stars auf dem Teppich: Die Ausstellung „Zwischen den Filmen“ zeigt Bilder von der Berlinale, im Filmhaus am Potsdamer Platz.

Von Andreas Busche

Das „Dazwischen“ gehört zu den grundlegenden Prinzipien der Filmtheorie. Der sogenannte „Kuleschow-Effekt“ besagt, dass nicht das Filmbild selbst Sinn produziert, sondern erst der „negative Raum“ der Montage, das Verhältnis von zwei Bildern zueinander. Selbiges lässt sich auch über Filmfestivals sagen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen natürlich die Filme, Preise und Stars, doch in Erinnerung bleibt oft die vermeintlich kleinen, zufälligen Momente. Sie stellen den ikonischen „Mehrwert“ von Filmfestivals dar, den der Betrieb eher als – wenn auch essenziellen – Nebeneffekt hervorbringt.

Um genau diese Momente kümmert sich die Sonderausstellung „Zwischen den Filmen – Eine Fotogeschichte der Berlinale“, die bis zum 5. Mai im Filmmuseum am Potsdamer Platz zu sehen ist. 220 Fotos umfasst die über zwei Etagen verteilte Ausstellung, von der ersten Berlinale im Sommer (!) 1951 unter der Leitung von Alfred Bauer bis heute – nicht streng chronologisch, sondern unterteilt in Themenblöcke wie Politik, Stadt, Fans, Mode.

Die am prominentesten platzierten Bilder entsprechen dabei noch den gängigen Vorstellungen von „Starfotografie“: großformatige Farbporträts von Kate Winslet, Greta Gerwig und Antonio Banderas, die Gerhard Kassner für die Berlinale in den 90 Sekunden eines Photocalls vor den Pressekonferenzen schießt. Kontrollierte Momentaufnahmen im Medienzeitalter.

Auf der ersten Winter-Berlinale 1978 wurden Pudelmützen verteilt

Die Schmuckstücke der Sammlung stammen aus dem Berlinale-Archiv: historische Schnappschüsse von Mario Mach, Heinz Köster und Joachim Diederichs aus den Anfangstagen des Festivals, die erstmals gezeigt werden und mehr als nur nostalgischen Wert besitzen. Ebenso die Fotos von Erika Rabau, die ab den siebziger Jahren die Berlinale dokumentierte. Sie erinnern auch daran, wie sehr sich die Promi-Fotografie unter dem Einfluss von Künstlermanagements und streng regulierter PR-Arbeit verändert hat.

Da ist zum Beispiel das „Paparazzi“-Bild von Lilo Pulver im Jahr 1957, anlässlich der Premiere von Jacques Beckers „Arsène Lupin, der Millionendieb“: fotografiert durch das offene Verdeck auf dem Rücksitz einer Limousine, während ein weiblicher Fan ihr für ein Autogramm regelrecht auf den Schoß kriecht. Oder Esther Williams, Star des Wasserballetts von MGM, 1959 bei ihrer Ankunft in Tempelhof vor einer PanAm-Maschine posierend. Sidney Poitier bei seiner Rückkehr nach Berlin 1964, umringt von Fans, die zur besseren Sicht die Baukastenfassade der einstigen Kongresshalle (des heutigen Haus der Kulturen der Welt) hochklettern.

 James Stewart vor dem Telefunken-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz, auf der Berlinale 1962.
James Stewart vor dem Telefunken-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz, auf der Berlinale 1962.

© Heinz Köster/Deutsche Kinemathek

In den Aufnahmen spiegelt sich auch die Geschichte der Berlinale selbst wider, wie Kinematheksleiter Rainer Rother im Vorwort des handgebundenen Katalogs schreibt. Etwa Alexander Kluge und Rainer Werner Fassbinder (mit Hut und Sonnenbrille), zwei Generationen des Jungen Deutschen Films, auf der Pressekonferenz zum Omnibusfilm „Deutschland im Herbst“ (1978). Eine andere legendäre Pressekonferenz darf ebenfalls nicht fehlen: Der jugoslawische Regisseur und Jurymitglied Dušan Makavejev, beide Fäuste auf den Tisch gestützt, verkündet den internen Streit anlässlich von Michael Verhoevens Vietnam-Parabel „O.K.“ – und damit gewissermaßen schon das vorzeitige Ende der Berlinale 1970. Ein weiteres Stück Festivalgeschichte: Wolf Donner verteilt auf der ersten Winter-Berlinale 1978 Pudelmützen. Das Merchandise (reine Schurwolle!) wurde dem Berlinale-Direktor aus den Händen gerissen.

Die Ausstellung ist auch eine Chronik der Mauerstadt Berlin

Die Berlinale war – anders als die Konkurrenz in Cannes und Venedig – immer mehr als nur ein Filmfestival. Sie fungierte auch als Schaufenster der Mauerstadt. Ihr Ruf als Publikumsfestival rührt nicht zuletzt von dieser Gründungsgeschichte her. Darum stimmen die Rubriken „Kinos“ und „Stadt“ fast etwas wehmütig, hier wird „Zwischen den Filmen“ auch zu einer Chronik des alten Westberlin. James Stewart 1962 vor dem Telefunken-Hochhaus am Ernst- Reuter-Platz, zwei Schlakse nebeneinander. Oder Shirley MacLaine im Hansaviertel, beides Ikonen der Moderne. Das Kino erobert die Stadt, daran hat sich bis heute nichts geändert.

Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Str. 2, bis 5. Mai, Mi–Mo 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr. Der Katalog erscheint im Kettler-Verlag, 28 Euro.

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