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Tanken ohne Grenzen. In Luxemburg ist Benzin billiger, weshalb viele Anwohner der Nachbarländer zum Tanken nach Schengen kommen.

© Ruth Stoltenberg

Fotoausstellung im Tempelhof Museum: Unter Europas blauem Himmel

Wo liegt das eigentlich genau, dieses Schengen? Das Tempelhof Museum zeigt Fotografien von Ruth Stoltenberg aus dem Dreiländereck.

Schengener Abkommen, Schengener Raum, Schengener Visum – Begriffe, die ganz selbstverständlich fallen in einem Europa der offenen Binnengrenzen. Doch was ist das eigentlich genau, dieses Schengen? Womit identifizieren sich die Menschen, die dort leben? Wenn es jemand weiß, dann Ruth Stoltenberg. Die Fotografin, Jahrgang 1962, ist aufgewachsen im Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg, eben genau dort, wo auch das luxemburgische Winzerdorf Schengen liegt.

1985 ist dort das erste Schengener Abkommen unterzeichnet worden, das den Weg ebnete zu einem Europa ohne Grenzkontrollen. Der Ort wurde zum Namenspaten für einen Zusammenschluss von aktuell 26 Staaten mit mehr als 400 Millionen Bewohnern. So tonnenschwer die repräsentative Bürde wiegt, so unspektakulär beschaulich geht es zu im Landstrich an den Ufern der Mosel – zumindest, wenn man den Fotografien der Reihe „Schengen“ folgt, die derzeit in der Galerie im Tempelhof Museum zu sehen sind.

Ruth Stoltenberg hat sich umgeschaut in der luxemburgischen Gemeinde Schengen, in der das Dorf liegt, sowie bei den unmittelbaren Nachbarn auf deutscher und französischer Seite. Mit ihrer Kamera hält die Künstlerin, die unter anderem schon im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen fotografiert hat, den Stillstand in einem streng komponierten Spiel mit Farben fest. Die Nachmittagssonne scheint auf das Vordach eines Hauseingangs und färbt ihn orange, Babyklamotten hängen friedlich auf der Wäscheleine. Die Straßen: menschenleer – nein, halt, da tollt ein Kind in roter Jacke durchs Bild, direkt auf ein Gebäude zu, das in demselben Rot gestrichen ist. Meist bevorzugen die Bewohner von Schengen und Umgebung jedoch Blautöne für ihre Fassaden. Dezenter als das Blau der EU-Flagge, aber immerhin. Darüber hängt der ebenfalls dezent-blaue Himmel Europas.

Sinn für Symbolik und sanfte Ironie

Ruth Stoltenberg haushaltet bewusst mit den Informationen zu ihren Bildern. In welcher Ortschaft – und damit in welchem Land – sie jeweils aufgenommen wurden? Erst der Ausstellungskatalog verrät es. Gleichzeitig beweist die Fotografin Sinn für Symbolik und sanfte Ironie. Eine Aufnahme zeigt Kühe, die sich auf den zweiten Blick als Motiv einer bedruckten Plane entpuppen. Sie dient einem Käsestand als Hintergrund. Weinhänge, so charakteristisch sie für die Landschaft links und rechts der Mosel sind, spiegeln sich höchstens mal in einer gläsernen Fassade.

Die Bewohner des Dreiländerecks haben sowieso Größeres im Sinn: Das Euro- Zeichen, das in das schwarze Gitter vor einem Fenster eingearbeitet ist; der Schriftzug „liberté, egalité, fraternité“, der eine Hauswand ziert; das zur Bücherstube umfunktionierte Grenzerhäuschen, bemalt mit der deutschen und der französischen Flagge, das nur einen Steinwurf entfernt von einem Miniatur-Eiffelturm steht – überall weisen Details über die ländliche Idylle hinaus. Ein kosmopolitischer Geist weht durch die Straßen dieser Dörfer, so wie Ruth Stoltenberg sie sieht. Doch ihre Bilder lassen auch keinen Zweifel an der dörflichen Enge, die am Nabel Europas herrscht. Dicht an dicht stehen die sanft farbigen Fassaden. Der Blick zum Horizont bleibt stets verbaut.

bis 17. März, Galerie im Tempelhof Museum, Alt-Mariendorf 43

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