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Wasserpflanzen. Für ihre Serie "Floriszenz" (2019) taucht Kathrin Linkersdorff diverse Blüten wie diese Tulpen in Gläser voll Wasser.

© Kathrin Linkersdorff

Foto-Ausstellung in der Galerie Springer: Den Pinsel ersetzt heute die Kamera

Neuzugänge: Kathrin Linkersdorff und die baskische Künstlerin Maria Jauregui Ponte stellen ihre fotografischen Arbeiten in der Galerie Springer aus.

Das wunderbare Leuchten der trockenen Blüten auf Kathrin Linkersdorffs schwarz grundierten Fotoarbeiten in der Berliner Galerie Springer zieht sofort in seinen Bann. Es sieht aus, als wollten diese absterbenden Blumen dem Betrachter in einem letzten Akt ihre Schönheit darbieten, wäre da nicht eine Glasscheibe, die den hyperempfindlichen Druck vor Beschädigung schützt.

Man denkt an holländische Tafelmalerei aus dem 18. Jahrhundert, wo Blumengebinde oder Früchte in voller Farbenpracht auf dunklem Grund erstrahlen. Was dort die Meisterschaft des Malers vollbringt, leistet hier die Kamera. Aber wo die alten Meister auf eine prächtig entfaltete Natur zurückgriffen, komponiert Kathrin Linkersdorff ihre Bilder mit staubtrockenen Blüten, die sie mit der Pinzette vorsichtig ins rechte Licht rückt.

Das mag auf den ersten Blick nur wie ein raffiniertes Arrangement anmuten, steht jedoch sinnbildhaft für mehr. Nach japanischer Auffassung sind Anbeginn und Ende, Frühling und Herbst die schönsten Phasen des Lebens: wenn etwas beginnt und wenn etwas vergeht. Kathrin Linkersdorff, 1966 in Berlin geboren, hat sich diese Auffassung in Tokio zu eigen gemacht, als sie dort, nach Abschluss ihrer Architekturausbildung an der Technischen Universität Cottbus, die Geheimnisse der japanischen Tuschmalerei studierte. „Wabi Sabi“ nennt sie diese 2014 begonnene großartige Serie im quadratischen Format, die hier zum ersten Mal eine größere Öffentlichkeit findet (Einzelpreise: 1200–3000 Euro).

An die Stelle der Dunkelheit tritt das Licht

Die starke Wirkung der Arbeiten beruht nicht zuletzt auf einer Drucktechnik, die nur wenige Experten beherrschen, sagt die Künstlerin und hebt das Dye-Transfer-Verfahren hervor, mit dem in den frühen siebziger Jahren als einer der Ersten der amerikanische Künstler William Eggleston experimentierte und bei dem das Bild – verkürzt gesagt - aus drei verschiedenen Farbauszügen zusammengesetzt wird. Analoge und digitale Verfahren verschmelzen in diesen fotografischen Kompositionen zu einer Einheit. Man könnte noch lange zuhören, wenn Linkersdorff über den langwierigen Entstehungsprozess ihrer Fotografien spricht, aber schon wird das Auge von einer zweiten Serie aus jüngster Zeit angezogen, den „Floriszenzen“. An die Stelle der Dunkelheit tritt hier das Licht, an die Stelle ersterbender Schönheit ein Ahnen, dass die Farben im Wasser ein neues Lebenselement finden können, wenn die in Wassergläser getauchte Blüten im Kreislauf von Werden und Vergehen fortleben.

Nach ihrem Japan-Aufenthalt absolvierte Linkersdorff ab 2006 eine Zusatzausbildung an der von Arno Fischer gegründeten Schule für Fotografie am Schiffbauerdamm. An dessen Nachfolgeinstitut „Neue Schule für Fotografie“ studierte wenige Jahre später auch die baskische Künstlerin Maria Jauregui Ponte, Jahrgang 1972, deren Arbeiten nun denen von Linkersdorff gegenüber hängen. Mag diese zur japanischen Kunstphilosophie hinneigen, was sich bis hin zur Komposition des einzelnen Bildes zeigt, so könnte man ihrer in Berlin ansässigen jüngeren Kollegin eine unverkennbare Neigung zu spanischer Dunkelheit unterstellen. Zum einen sieht es aus, als wollte sie mit ihrer ohne Kamera aufgenommenen Serie „Überstrahlungen“ unbedingt den fast monochromen Kompositionen von Mark Rothko fotografische Konkurrenz machen. Ein Geheimnis bergen dagegen ihre mit Apparat aufgenommenen Nachtbilder, auf denen zuweilen Grashalme und Blätter auszumachen sind. Nicht minder ambitioniert wirkt die Serie „Phosphor“, wo amorphe Körper im Schein einer Taschenlampe auf dunklem Grund aufleuchten (Einzelpreise: ab 1300 Euro).

„Lumineszenzen“ überschreibt die Galerie Springer diese experimentierfreudige Sommerausstellung und verspricht, dass beide Künstlerinnen „von nun an das Programm der Galerie erweitern“ werden. Was für eine gute Nachricht.

Galerie Springer, Fasanenstr. 13; ab 20. August bis 14. September, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa 12–15 Uhr. Am 11. September (19 Uhr) findet ein Talk mit Ingo Taubhorn statt.

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