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Nicht divers: Drei der für den Preis der Leipziger Buchmesse 2021 nominierten Titel

© dpa

Forderung nach mehr Diversität: Grenzt der Literaturbetrieb schwarze Autor:innen aus?

Ein offener Brief aus der Germanistik kritisiert den Preis der Leipziger Buchmesse und den deutschen Literaturbetrieb.

Als Mitte April die Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse verkündet wurde, gab es wie üblich Kritik an der Auswahl. Aber weniger an den Nominierungen, sondern viel mehr daran, wer übergangen worden war.

Tatsächlich fehlt auf der Liste gerade in der Belletristik ein Vertreter oder eine Vertreterin aus dem Bereich der deutschen Gegenwartsliteratur, in dem Themen wie Identität und Rassismus, Klasse oder der Gender-Diskurs bestimmend sind.

Es gibt darauf kein Buch von nicht-weißen Autor:innen, von deutschsprachigen- und schreibenden Autor:innen, deren familiäre Wurzeln nicht in Deutschland liegen. Also eins der Bücher von beispielsweise – überdies viel gefeierten – Autorinnen wie Sharon Dodua Otoo („Adas Raum“), Mithu Sanyal („Identitti“), Asal Dardan („Betrachtungen einer Barbarin") oder Shida Bazyar („Drei Kameradinnen“). In den Bereichen Sachbuch und Übersetzung sieht es nicht anders aus.

"Wir finden die Entscheidung der Jury problematisch"

Das ist nun Anlass für einen im Duktus durchaus freundlichen offenen Brief gewesen, den diese Woche über hundert vor allem an angloamerikanischen und deutschen Universitäten tätige Germanist:innen, aber auch einige Schriftsteller:innen wie Zoe Beck, Sandra Gugic, Anna Kim oder Mithu Sanyal unterzeichnet haben. „Wir finden die Entscheidung der Jury problematisch“, heißt es zu Beginn des Briefes, „aber es ist nicht unsere Absicht, ihre Mitglieder zu attackieren.“

Vielmehr wolle man über „institutionelle Strukturen innerhalb der deutschen Gesellschaft“ diskutieren, speziell den Literatur- und Kulturbetrieb. Im „deutschen Literaturbetrieb“ gebe es „ganz offensichtlich eine institutionelle Struktur“, heißt es weiter, „die Schwarze Schriftsteller:innen und Schriftstellerin:innen of Color ausschließt. Kulturelle Institutionen, die fast ausschließlich weiße Autor:innen auszeichnen, verhindern die Weiterentwicklung der vielfältigen Literatur- und Kulturszene in Deutschland. So verfestigt sich ein eindimensionales Konzept von Literatur und Kunst.“

Nach dieser Zustandsbeschreibung machen die Initiator:innen des Briefes dann Vorschläge, wie sich all das ändern kann. Zum Beispiel durch gezielte Stipendien und finanzielle Förderung. Oder durch „Positionen explizit für neue Juror:innen, die den Blick für neue, diverse Literatur weiten.“

Die Welt sei in Wirklichkeit: divers

Oder, was sie am wichtigsten finden: „Die Lektüre in unseren Bildungssystemen muss eine andere, eine reale Welt abbilden – nicht so wie jetzt eine weiße, männliche cis-heteronormative. Nur so können Leser:innen, Autor:innen, Verlagsmitarbeiter:innen und Kritiker.innen heranwachsen, die die Welt so divers wahrnehmen, wie sie in Wirklichkeit ist.“

Nun mag die Auswahl für den Preis der Leipziger Buchmesse einen offenen Brief wie diesen geradezu provoziert haben (ausschließlich weiße Jury ignoriert die Otoos, Sanyals etc.). Trotzdem hat man schon auch den Eindruck, dass der Literaturbetrieb sich um den Einschluss schwarzer Autorinnen und Autoren bemüht, solchen of colour, zumal gerade in diesem und dem vergangenen Jahr.

Das Ganze ist mehr als ein Trend

So viele deutschsprachige Bücher, die von unterschiedlichsten Herkünftsbereichen und Lebensläufen erzählen und auch prominent in den Programmen platziert und vermarktet wurden, auch im Sachbuchbereich, hat es bei den einschlägigen Verlagen vermutlich noch nie gegeben, etwa auch von Cihan Acar, Ronya Othmann, Olivia Wenzel oder Emilia Roig.

Das Ganze scheint jedenfalls von Verlagsseite mehr als bloß ein „Trend“ verstanden worden zu sein.

Auch über mangelnde mediale Aufmerksamkeit oder Einladungen zu Literaturfestivals oder auf Literaturpodien dürften sich Autorinnen wie Deniz Ohde, die 2020 für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert wurde und beispielsweise den „Aspekte“-Literaturpreis erhalten hat, Sharon Dodua Otoo oder Mithu Sanyal kaum beklagen. Und nach Kulturjournalist:innen oder auch, wie man hie und da hört, Juror:innen, die für Diversität stehen, wird sowieso aktiv gesucht. Nur wollen diese auch gefunden werden, so einfach herzaubern lassen sie sich nicht.

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