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Kultur: „Flieger sind Sieger“

Stefanie Schüler-Springorum beschreibt die Selbstwahrnehmung der deutschen Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg

Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen steht der Spanische Bürgerkrieg vor allem für Guernica. Denn die Zerstörung der baskischen Kleinstadt im April 1937 gilt bis heute, nicht zuletzt aufgrund des Gemäldes von Pablo Picasso, als Symbol für die Leiden der Zivilbevölkerung im Bombenkrieg. Zwar zählt die deutsche Intervention zu den am besten erforschten Aspekten des Spanischen Bürgerkrieges. Aber die bisher vorliegenden Studien konzentrieren sich auf die Politik- und Wirtschaftsgeschichte. Das konkrete Handeln der Deutschen und ihre Selbstwahrnehmung auf dem Kriegsschauplatz stehen hingegen kaum im Fokus. Das ändert sich nun mit Stefanie Schüler-Springorum. Bei der Leiterin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg, die im kommenden Jahr die Nachfolge von Wolfgang Benz am Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung antreten wird, rücken die eigentlichen Akteure der deutschen Spanien-Intervention ins Blickfeld: die Angehörigen der Legion Condor. Sie sollen aus der ihnen bislang zugeteilten Statistenrolle befreit werden: Man kennt sie kaum, weiß wenig von ihnen, ihr Einsatz findet lediglich Erwähnung als quantifizierbares Ergebnis einer auf der politischen Ebene getroffenen und militärisch umgesetzten Entscheidung.

Bis heute ist nicht einmal bekannt, wie viele deutsche Soldaten in Spanien kämpften. Dies führt Schüler-Springorum zum einen auf die prekäre Aktenlage zurück, zum anderen darauf, dass auch viele Spaniendeutsche bei der Legion angestellt waren, die beispielsweise für die Vergabe von Orden erfasst wurden, jedoch nicht im engeren Sinne zur Legion Condor gehörten. Sicher scheint lediglich zu sein, dass die Legion vor Ort nie mehr als 5600 Mann zählte. Sie entstammten jenen „Zwischenjahrgängen“, die den Ersten Weltkrieg nicht mehr beziehungsweise kaum bewusst erlebt hatten und zugleich noch nicht primär nationalsozialistisch sozialisiert wurden. In der Weimarer Demokratie aufgewachsen und zum Teil noch militärisch ausgebildet, waren sie es, die vor dem Zweiten Weltkrieg, zu einem Zeitpunkt, als sich das NS-Regime auf dem Höhepunkt seiner außen- wie innenpolitischen Erfolge befand, den ersten modernen Luftkrieg mit massivem Einsatz gegen die Zivilbevölkerung eines europäischen Landes führten.

Die Legion Condor kämpfte in einem Land, mit dem sich Deutschland nicht im Krieg befand, das keineswegs die „Frauen und Kinder in der Heimat“ bedrohte und ohnehin weder zu den traditionellen „Feinden“ noch zur rassistisch neu definierten „Bedrohung“ des „Dritten Reiches“ gehörte. Der Umstand, dass man aus diesem Krieg siegreich heimkehrte, hat nach Schüler-Springorums Analyse die Erinnerung an den Einsatz in Spanien stark geprägt, und zwar nicht nur vor 1939, sondern vor allem nach 1945, als die Wahrnehmung der darauffolgenden Kriege per se durch Niederlage und Völkermord „kontaminiert“ war.

Mehr als in vielen anderen Kriegen war in Spanien eine Mischung aus militärischer und ziviler Welt typisch für das Leben der dort kämpfenden Deutschen, zumal das fliegende Personal über ein gehöriges Maß an Freizeit verfügte. Seine jungen, bürgerlichen Männer waren die zentralen Jahrgänge der Legion Condor, deren Erwachsenwerden und biografisch-berufliche Entscheidungsphase mit den Erfolgsjahren des Nationalsozialismus ab 1933 zusammenfielen.

Die rasch expandierende Luftwaffe bot diesen Männern die Chance auf berufliches Vorwärtskommen, verbunden mit einem ideologisch aufgeladenen „Dienst am Vaterland“, und zwar in einem Feld, das ein Höchstmaß an persönlichem und gesellschaftlichem Prestige versprach. Der Fliegeroffizier war Mitte der 30er Jahre zum Inbegriff einer stilisierten Männlichkeit geworden, die militärisches Gepräge mit Individualismus und kühle Technikbeherrschung mit Abenteurertum verband.

Schüler-Springorum bringt die Situation der jungen Offiziere auf den Punkt: „Man fühlte sich als Elite, wurde als solche angesprochen und öffentlich inszeniert.“ Diejenigen von ihnen, die dann für einen „geheimen Sonderauftrag“ ausgesucht wurden, galten folglich als Elite der Elite und scheinen weder diese soziale Zuschreibung noch den Sinn eines solchen Einsatzes infrage gestellt zu haben. Im Gegenteil: Die Faszination einer Operation, die noch dazu den „Ruch von Freischärlertum“ besaß, ist nach Schüler- Springorums Urteil kaum zu unterschätzen: Mit deutlichen Parallelen zur Ausbildung, die viele der deutschen Piloten im Rahmen der Zusammenarbeit von Reichswehr und Roter Armee in der Sowjetunion erhalten hatten, befanden sie sich auch hier wieder auf „geheimer Mission“ in einem fremden, und dieses Mal ausgesprochen „exotischen Land“. Kurz: eine überschaubare Truppe von alten Bekannten, die in kurzen Hosen herumlief und in der Freizeit mit den lokalen Schönheiten zum Baden fahren konnte.

Der Kampfeinsatz selbst wurde von vielen Angehörigen der Legion Condor als spezifische Mischung von Romantik und Abenteuer erlebt. Zwar war diese Idylle nur phasenweise gegeben, aber dennoch kam dieser Krieg aus deutscher Sicht den Fantasien vom „ungebundenen Fliegerleben“ recht nah. Und Schüler-Springorum betont: Er war für die Deutschen „ein Erfolg auf der ganzen Linie“.

Mit dem Lied „Flieger sind Sieger“ auf den Lippen und strotzend vor Selbstbewusstsein zogen die deutschen Piloten in den nächsten Krieg – mit den bekannten Folgen.

Wie stark Siegesgewissheit und Kampfmoral in Wirklichkeit vom Primat der Technik, von den besseren Flugzeugen abhing, sollte nicht erst im Zweiten Weltkrieg deutlich werden. Schüler-Springorum schildert, wie schnell die „Fliegerherrlichkeit“ schon in Spanien in Depression umschlagen konnte, wenn man – wie zwischen November 1936 und Frühjahr 1937 – plötzlich technisch unterlegen war. Wo das Todesrisiko überhandnahm, geriet das angebliche „Bestreben, die Heimat und den deutschen Soldaten würdig im Ausland zu repräsentieren“, ins Wanken. Da man ganz offensichtlich nicht die Heimat verteidigte, schien auch die ideologische Aufladung des „Kampfes gegen den Weltfeind“ im Zweifelsfall nicht auszureichen. Schüler-Springorum macht mindestens zwei Momente aus, in denen die Stimmung unter den in Spanien kämpfenden Deutschen in Richtung Meuterei steuerte: Im Winter 1936/37 aufgrund technologischer Unterlegenheit und im Sommer 1938, als bei Rohstoffverhandlungen mit Spanien der Nachschub zurückgehalten wurde und sogar der Kommandeur der Legion Condor für einen Truppenrückzug plädierte. Ein Phänomen, das bei den heutigen Militärinterventionen des Westens gerade auch in Deutschland erneut an Aktualität gewinnt – freilich unter politisch gänzlich anderen Vorzeichen.

Stefanie Schüler- Springorum: Krieg und Fliegen. Die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2010. 369 Seiten, 39,90 Euro.

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