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Stevie Nicks beim Auftritt von Fleetwood Mac in Berlin.

© DAVIDS/Christina Kratsch

Fleetwood Mac in der Waldbühne: Geh deiner eigenen Wege

Kraft- und würdevoll trotz kleiner Wackler: Fleetwood Mac gaben ein feines Konzert in der Berliner Waldbühne.

Drama, Zerwürfnisse und Umbesetzungen – sie gehören selbst im hohen Alter zu Fleetwood Mac. Genau wie ihre seit 1967 konstante Rhythmussektion, bestehend aus den beiden Gründungsmitgliedern Mick Fleetwood und John McVie. Im vorläufigen letzten Kapitel der mitunter Soap-Opera-reifen Bandbiografie musste Gitarrist Lindsey Buckingham gehen, weil er und seine Ex-Geliebte Stevie Nicks einfach nicht mehr miteinander klarkamen. Zunächst drohte er den Rest der Band zu verklagen, einigte sich dann aber doch außergerichtlich mit ihr.

Buckingham, der als Musiker, Komponist und Produzent entscheidenden Anteil an der erfolgreichsten Phase von Fleetwood Mac hatte, wird auf der Bühne von zwei Neuzugängen ersetzt. Seine Gesangsparts übernimmt Neil Finn, früher bei Crowded House, an der Gitarre ersetzt ihn Mike Campbell, der einst bei Tom Pettys Heartbreakers spielte. Die beiden machen beim einzigen Deutschland-Konzert der Gruppe am Donnerstagabend in der Berliner Waldbühne ihre Sache gut. Zwar irritiert Finn im Eröffnungsstück „The Chain“ zunächst durch einen etwas zu schneidigen und übermotivierten Vortrag, doch das gibt sich bald, auch weil die Stücke mit weiblichem Leadgesang in den Vordergrund rücken.

So folgt „Little Lies“ vom 1987er-Album „Tango In The Night“, das von Christine McVie am Keyboard mit wackeliger Stimme intoniert wird. Sie hat den ganzen Abend Mühe, vor allem wenn es in höhere Regionen geht. Zum Glück steigt bald Stevie Nicks ein und dann die von zwei Background-Sängerinnen unterstützten anderen Bandmitglieder. Beim „Oh, no, no you can’t disguise“ im Refrain hilft das mitwippende Publikum kräftig mit. Die Stimmung im Halbrund ist ohnehin hervorragend. Auch als der Regen nach einer Stunde wieder einsetzt, sieht man weiter in glückliche Gesichter.

Stevie Nicks als finstere Schamanin

Neben den vielen Fans, die Fleetwood Mac schon seit Jahrzehnten die Treue halten, sind auch zahlreiche Jüngere gekommen, die die Band wegen des schon einige Jahre andauernden Softrock-Revivals kennengelernt haben. Gruppen wie Tame Impala und Haim sind deutlich beeinflusst vom Sound der mittleren Phase von Fleetwood Mac, wobei vor allem Haim ihnen einen Popularitätsschub bei den Millenials verschafft haben dürften. Die drei Schwestern haben immer wieder Songs wie „Oh Well“ oder „Dreams“ gecovert und waren sogar einmal in Stevie Nicks Villa in L.A. zu Gast, um mit ihr „Rhiannon“ zu singen.

Das Lied über eine alte Göttin ist einer von vielen Höhepunkten in der Waldbühne, wo schon der erste Takt des melancholischen Gitarrenmotivs jubelnd aufgenommen wird. Die 71-jährige Nicks genießt es sichtlich, das von ihr geschriebene Stück zu zelebrieren. In der Mitte und am Ende verbeugt sie sich tief, schürzt die Schöße ihres langen schwarzen Mantels. Wenn sie die schwarzen Bänder flattern lässt, die an ihrem Tamburin und ihrem Mikrofonständer befestigt sind, wirkt sie wenig wie eine Schamanin aus dem dunklen Herzen Kaliforniens.

Mick Fleetwood veranstaltet ein Brüllspiel mit den Fans

Hatte sie beim letzten Aufritt in Berlin vor sechs Jahren noch ausufernde Ansagen gemacht, hält sie sich diesmal zurück. Überhaupt sind Fleetwood Mac, die noch einen weiteren Gitarristen, einen Keyboarder und einen Percussionisten dabei haben, darauf bedacht, ein einheitliches Bild abzugeben. Niemand drängt in den Vordergrund, auch Campbell dosiert seine Soli weise. Nur bei „World Turning“ hat Mick Fleetwood die Bühne eine Weile für sich allein. Während der kraftvoll über die Felle wirbelt, veranstaltet er ein Brüllspiel mit dem Publikum, um sich dann mit Percussionist Taku Hirano in Ekstase zur klöppeln.

Fleetwood Mac setzen während der zweistündigen Show vor allem auf die beiden Alben, die nach ihrem Neustart 1975 zusammen mit dem Duo Nicks und Buckingham entstanden. Das rund 40 Millionen mal verkaufte „Rumors“ – ein Pop- Klassiker mit Ewigkeitswert – etablierte völlig unbeeindruckt von der zeitgleichen Disco-Euphorie und dem Furor des Punk den glitzernden Westcoast-Sound, dessen warme Melodieseligkeit bis heute nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt hat.

Eine Zugabe zu Ehren von Tom Petty

Während der von viel Kokain befeuerten Entstehungsphase des Albums endete sowohl die Ehe von Christine und John McVie als auch die Beziehung von Nicks und Buckingham, was einige Spuren in den Texten hinterlassen hat. Etwa in „Dreams“ das mit den Zeilen „Now here you go again, you say you want your freedom/ Well, who am I to keep you down?“ beginnt und ganz wunderbar abhebt auf den hallenden Bassdrum-Schlägen.

Mit „Black Magic Woman“ und „Oh Well“ unternimmt die Band Exkursionen in ihr Londoner Blueszeit, was ihr ebenso würdevoll gelingt wie das Hauptset-Finale mit „You Make Loving Fun“ und „Go Your Own Way“, dessen Refrain wohl noch in Spandau zu hören ist. Den Liebeskranken im Publikum verschafft er definitiv einen Katharsismoment. Die nassen Schuhe sind nun auch egal.

Nach einem „Free Falling“-Cover in Erinnerung an Tom Petty kommt am Ende natürlich „Don’t Stop“. Sein Optimismus ist immer noch ansteckend – nicht zurückschauen, nur nach vor. Hoffentlich halten Fleetwood Mac sich selbst daran.

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