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Die Installation "Haus" von Peter Fischli und David Weiss.

© Peter Fischli

Fischli und Weiss: Klein gemacht

Das Schweizer Künstlerduo Fischli und Weiss ergründet bei Sprüth Magers die Macht und Pracht des Mittelstandes.

Für gewöhnlich fordert die Ausstellungshalle der Galerie Sprüth Magers zu Formaten heraus, die schon wegen ihrer schieren Größe beeindrucken. Diesmal scheint es jedoch genau umgekehrt: Ein Schrumpfungsprozess muss stattgefunden haben, um ein ganzes Haus in der Halle unterzubringen. „Haus“ heißt denn auch lapidar die Ausstellung des renommierten Schweizer Künstlerduos Peter Fischli und David Weiss (Oranienburger Str. 18; bis 27. Juli).

Für Freunde von hintersinnigem Schabernack und enzyklopädischer Weltergründung ist sofort klar: Bei dem ausgestellten Modellhaus im Maßstab 1:5 handelt es sich um das Hausmodell, das Fischli Weiss zum ersten Mal 1987 für die Ausstellung „Skulptur.Projekte“ in Münster errichtet haben. Damals stand es im Außenraum nahe dem Bahnhof in einer Durchgangsstraße. Ganz im Stil der umliegenden Gebäude entfaltet es den Charme funktionalistischer Bauten der Nachkriegsmoderne. Der detailgetreue Nachbau eines vierstöckigen Geschäftshauses mit grauem Betonanstrich schien wie vom Himmel in die Baulücke zwischen einem Kino und einer Imbissbude gefallen. Hier verführte das Haus schnell zum Abstellen von Bierflaschen auf dem Gesims.

Das Duo widmet sich Alltäglichem und Mittelmäßigem

Die Geschichte eines Hauses ist normalerweise die Geschichte seiner Bewohner und seiner Umbau- und Renovierungsmaßnahmen. Bei Fischli Weiss ist es die buchstäblich verrückte Geschichte seiner Umzüge von einem Ort zum anderen. Nach Ausstellungen im New Yorker Guggenheim Museum und dem Museo Jumex in Mexico City wurde die Aluminiumversion 2018 permanent in Zürich installiert. Das Gussmodell aus Holz in der Galerie Sprüth Magers erscheint nun nach über 30 Jahren wie eine Ikone und Summe der künstlerischen Gemeinschaftsarbeit, die mit dem Tod von David Weiss 2012 in dieser kooperativen Form ein Ende gefunden hat.

Ab 1979 widmete sich das Künstlerduo dem Alltäglichen, Gewöhnlichen und Mittelmäßigen. Mit feinem Humor und Hintergründigkeit geht es um eine „verkleinerte Abbildung mittelständischer Macht und Prachtentfaltung“, wie Architektensohn Peter Fischli schreibt. Zu klein für ein Haus, zu groß für ein Modell: So entsteht eine Irritation, die grundlegende Fragen aufwirft. Wie wirkt sich die Architektur auf den Alltag und die Arbeit der Menschen aus? Wann kippt die fortschrittliche Sachlichkeit in bloße Einfallslosigkeit? Es sind diese kaum zu datierenden Kippmomente der Wahrnehmung, in denen das Erhabene in das Banale umschlägt, die eine seltsame Melancholie und Sehnsucht nach Schönheit erzeugen.

Blick auf Wirklichkeit schärfen

Das „Haus“ bildet einen Solitär im Werk von Fischli Weiss, die neben Filmen und Videos zumeist Serien von Fotos, Dias und Skulpturen aus ungewöhnlich „gewöhnlichem“ Material produzierten. Beispielhaft dafür steht im Vorraum der Galerie eine Gruppe von Alltagsobjekten aus schwarzem Gummi und ungebranntem Ton, die im weitläufigen Sinn mit Bauen und Wohnen zu tun hat. Ein Stück „Mauer“ und eine „Ecke“ gehören zu den Grundpfeilern des Hausbaus, das „Sitzkissen“ im Stil eines marokkanischen Hockers steht für einen Hauch von biederer Exotik, während die aufwendig geschnitzte „Kerze“ zusammen mit der „Platte“ für die nötige Stimmung sorgt. Der „Hundenapf“ gehört dem Haustier, dem in jeder „Modernen Siedlung“ ein Platz gebühren sollte.

Es sind die kleinen Verschiebungen des Maßstabs, des Materials oder der Fragestellung, mit denen Fischli Weiss unseren Blick auf die Wirklichkeit verrücken und schärfen, um große und kleine Fragen zu stellen: „Findet mich das Glück?“ lautet die Frage aller Fragen, die in verschiedenen Erscheinungsformen vom „Fragentopf“ (1985) über die Diaprojektion auf der Biennale in Venedig 2002 in das gleichnamige Bestsellerbuch des Duos eingeflossen sind. In der Ausstellung findet das Glück jene Besucher, die Sinn für jenen skurrilen Witz, verschmitzten Forschergeist und Hang zur Universalität haben, den Fischli Weiss mit Gustave Flauberts berühmtem Kopistenpaar Bouvard und Pécuchet teilen.

Dorothea Zwirner

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