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Hilfloser Helfer. Ethan Hawke ist Reverend Ernst Toller.

© Park Circus Group

"First Reformed" mit Ethan Hawke: Welt ohne Gott

Filmemacher Paul Schrader befasst sich seit je mit Schuld und Moral. In „First Reformed“ zeigt er einen Priester, der mit seinem Glauben hadert.

Alles so puritanisch hier. Die weiße Holzkirche. Der schmucklose Raum. Die kahlen Winterbäume. In der Wohnung von Reverend Ernst Toller (Ethan Hawke) steht kein Möbel zu viel. Tisch, Stuhl, Bett, das ist alles. Er trinkt zu viel, manchmal spuckt er Blut, ist nicht gesund. Widerwillig geht er zu den medizinischen Tests, gedrängt von seinem Vorgesetzten (der Comedian Cedric Kyles als jovialer Machtmensch). Auch die Leiterin des Kirchenchors sorgt sich um Toller. Der sondert sich lieber ab, schreibt Tagebuch, jede Nacht, mit der Hand in eine Kladde.

„First Reformed“ ist ein altmodischer, düsterer Film über Menschen, die aus der Zeit gefallen sind. Und ein hochaktueller, irrlichternder Film über Menschen, die sich nicht zurechtfinden in diesen Zeiten. Paul Schrader, berühmt sei seinem Drehbuch für „Taxi Driver“ und seiner dritten Regiearbeit „American Gigolo“, erzählt seit jeher Geschichten von schuldbeladenen Helden.

Immer wieder befasst sich der calvinistisch erzogene amerikanische Filmemacher Paul Schrader mit moralisch-spirituellen Fragen. Aber die Wucht, die dieses streng stilisierte, wortkarge Kammerspiel entwickelt, hatte lange kein Werk von Schrader mehr. Man denkt an Alte Meister, an Bergmans Pastorendrama „Licht im Winter“, auch an Schraders Essay von 1972 über den Transzendentalstil von Ozu, Bresson und Carl Theodor Dreyer.

Die in ihrer Kargheit so unvermittelt bezwingenden Bilder entfalten ihre Wirkung jedoch auch ohne filmhistorisches Gepäck. Toller hat vor ein paar Jahren seinen Sohn in den Krieg geschickt, den dieser nicht überlebte. Jetzt wendet sich in der kleinen Kirchengemeinde in Snowbridge, New York, die junge Mary (Amanda Seyfried) an den Priester. Sie ist schwanger; ihr Mann (Philip Ettinger), ein Umweltaktivist, will nicht, dass sie das Kind in die Welt setzt. Der Planet ist verseucht, das Klima eine Katastrophe, es gibt keine Zukunft. Bald fühlt sich Toller wieder schuldig am Tod eines Menschen.

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Ein Priester, der mit seinem Gott und Glauben hadert, der nicht mehr beten kann und angesichts der Bigotterie der Kirchenoberen erst recht nicht weiterweiß: Ethan Hawke macht aus diesem Toller eine großartig stille, abgründige Gegenfigur zu seinen bisherigen, meist leichtlebigeren, optimistischen Helden. Ausgerechnet der soll nun ein Fest vorbereiten. Die reformierte Gemeinde wird 250 Jahre alt, sie spielte eine bedeutende Rolle beim Kampf gegen die Sklaverei. Politiker kommen, Sponsoren, ein mächtiger Firmenchef – dessen Unternehmen für eine der schlimmsten Umweltsauereien in der Region verantwortlich ist.

Seltsamer Schluss: ein Fanal oder eine mystische Hochzeit?

Toller sinnt auf ein Fanal. Eine Sprengstoffweste kommt ins Spiel, eine Rolle Stacheldraht, die christliche Kunst der Elevation und eine mystische Vermählung.

Unsinnig? Übersinnlich? Manch einer verließ befremdet das Kino, als „First Reformed“ beim Filmfest Venedig 2017 Premiere feierte. Die Freiheiten, die Schrader sich nimmt, aller Strenge zum Trotz, lohnen eine Diskussion allemal. Ethan Hawke erhielt diverse Darstellerpreise, Paul Schraders Drehbuch unter anderem eine Oscar-Nominierung. Einen deutschen Verleih fand der Film trotzdem nicht. Umso verdienstvoller, dass das Berliner FSK Kino ihn nun für zwei Wochen zeigt, pünktlich zum Fest der Auferstehung.

OmU. In Berlin im FSK am Oranienplatz, bis 30. April

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