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Der finnische Maler Janne Räisänen lebt heute in Berlin. 2012 malte er das Gemälde "Rainer von und zu Zufall" (Ausschnitt).

© Janne Räisänen, 2012

Finnen in Berlin: Und wieder knurrt der Magen

"Hunger nach Bildern". Finnische Malerei der Gegenwart im Felleshus. Eine überraschende Entdeckung, nachdem in den letzten Jahren die Fotografie des skandinavischen Landes eher im internationalen Fokus stand.

Kunst entwickelt sich antithetisch, grob gesagt: Auf Figuration folgt gemeinhin Abstraktion, auf Gegenständlichkeit Konzept. Bei genauerer Betrachtung aber erweist sich: alles nur eine Frage der Wahrnehmung. Unterschwellig laufen sämtliche Bewegungen kontinuierlich weiter, allein die Rezeption des Publikums verändert sich. Eine Ausstellung im Felleshus, dem Gemeinschaftshaus der Nordischen Botschaften, wirft prompt gängige Abläufe durcheinander. „Hunger nach Bildern“ ist die Gemeinschaftsschau vierer finnischer Maler überschrieben. Zurück in die Zukunft?

Der Titel entstammt einem Buch des Kunstkritikers Wolfgang Max Faust, der damit in den Achtzigern dem Boom der Neuen Wilden ein Bild gab und eine stehende Redensart kreierte. Das Felleshus übernimmt das einprägsame Etikett. Schließlich habe die junge Generation den Neo-Expressionisten viel zu verdanken, so Kuratorin Riva Röminger-Czako. Auch die ersten Expressionisten vom Anfang des 20. Jahrhunderts hinterließen weiter ihre Spuren. Womit sich für die vier jungen Finnen der Kreis schließt. Damals gab es in Berlin eine skandinavische Kolonie, Schriftsteller, Künstler, Musiker pilgerten in die deutsche Hauptstadt, um hier zu arbeiten und zu leben. Heute gibt es sie wieder.

Janne Räisänen ist einer von ihnen. Mitte der Neunziger studierte er ein Semester in Frankfurt am Städel. Heute pendelt er zwischen Berlin und Helsinki, wo er an der Akademie unterrichtet. Die Textur seiner Malerei verrät Per Kirkeby als Lehrer und ist doch eigenständig: humorvoll, plakativ, spielerisch im Umgang mit Pop- und Subkultur. Sein Gemälde mit dem schönen Titel „Rainer von und zu Zufall“ zeigt eine Figur mit Doppelgesicht, deren Mund verrutscht zu sein scheint. Möglich, dass sie sich nur schnell dreht und der Schnurrbart in der Bewegung innehält.

Auch Tiina Elina Nurminen hat in Frankfurt bei Kirkeby studiert. Sie malt erdige Seelenlandschaften, in die sie mal eine Muschel, mal ein Stück Stoff integriert. Deren lyrische Stimmung ist durch Frankreich inspiriert, wo sie heute lebt. Vielleicht schwingen auch Melodien ihrer Kindheit nach, beide Eltern waren Musiker. Maiju Salmenkivis anonyme urbane Landschaften besitzen dagegen Härte. In ihnen blitzen in giftigen Farben topografische Einzelheiten auf, für Helsinki-Kenner leicht zu erkennen – etwa jene Schnellstraße, die von einer Eisenbahnbrücke gequert wird. So besitzen auch Salmekivis Ortlosigkeiten am Ende einen konkreten Ursprung.

Der Ortsbezug gilt für alle vier Künstler. Bei aller Internationalität des Stils lässt sich ihre Herkunft identifizieren: durch die Peinture, die expressionistischen Wurzeln, die Natur als Angelpunkt beziehungsweise Gegenpol. Als Maler stellen die vier trotzdem eine Überraschung dar, denn bislang galt die größte Aufmerksamkeit den Fotografen des Landes, der berühmten Helsinki School. Höchste Zeit, mit festen Bildern im Kopf aufzuräumen, antizyklisch gilt schließlich längst nicht mehr. Nicola Kuhn

Felleshus, Rauchstr. 1, bis 7. März; Mo bis Fr 10-19 Uhr, Sa/So 11-16 Uhr.

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