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Finale der Berlin Art Week: In der E-Limousine zum Hinterhof

Rund 120.000 Menschen besuchten die Berlin Art Week. Die Kunstwoche mit ihren beiden Messen war ein Erfolg.

Ruinen ziehen in Berlin noch immer. Die 8. Berlin Art Week bot mit dem Haus der Statistik und der Klosterruine am Podewil – als Tipp, nicht im offiziellen Programm – gleich zwei davon. Beide zählten zu den Lieblingen des Publikums. Wobei der Auftritt des Tanzkollektivs Young Boy Dancing Group Samstagabend in der Ruine von einem Unfall überschattet war: Während der Feuerperformance entzündete sich eine Flasche Spiritus, drei Besucher mussten mit Brandverletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.

Das ist traurig und ein Schaden auf gleich mehreren Ebenen. Denn welche Konsequenzen dies auch für die Zukunft des Ortes hat, an dem erst seit Kurzem über Berlins Gentrifizierung und andere drängende Themen debattiert wird, lässt sich noch gar nicht absehen. Ohne den Unfall hätte man die Kunstwoche mit ihren beiden Messen, den hochkarätigen institutionellen Eröffnungen und den zahllosen exklusiven wie inklusiven Events erfolgreich auf allen Kanälen nennen können.

Zum Beweis genügte dieser Tage ein Blick in die beteiligten Häuser und Hallen. Nahezu überall war es brechend voll, zur offiziellen Eröffnung der Art Week ebenso wie bei diversen Preisverleihungen und den Openings von Art Berlin und Positions – jenen zwei Messen in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof, wo mit zeitgenössischer Kunst gehandelt wird. Beide Veranstaltungen melden gute Verkäufe und die Art Berlin kurz vor Schluss schon 35 000 Besucher.

Was aber auch deutlich wurde: Die Zeiten, in denen eine internationale Sammlerschar möglichst oft nach Berlin reiste, sind vorbei. Der Auftrieb zum jährlichen Gallery Weekend ist weit größer. Die Art Week erweist sich als kultureller Tummelplatz für Berliner, überregionale und europäische Besucher. Solche Beobachtungen gleichen sich unabhängig vom Ort. Man kann diese Bilanz bedauern. Oder im Umkehrschluss stolz darauf sein, dass die Berlin Art Week von ihrem Publikum getragen wird: 120 000 Besucher wurden diesmal gezählt, so viele wie im vergangenen Jahr. Viele gucken, einige kaufen – und allein diese Tatsache rechtfertigt den enormen Aufwand. Wenn der junge, inzwischen sehr mächtige Galerist Johann König moniert, dass die wirklich wichtigen Sammler andere Lockmittel bräuchten, und nach „Exzellenzförderung“ ruft, dann ist aber auch das ernst zu nehmen. Gut wäre, wenn sich Vertreter des Senats, der die Art Week finanziell fördert, die Kulturprojekte als Organisatoren und Vertreter der Galerien baldmöglichst zusammen überlegen, was für 2020 umsetzbar ist.

Kleinreden sollte man das gegenwärtige Potenzial Berlins jedoch keinesfalls. Hier erlebt man weiterhin, was – neben Ruinen mitten im Zentrum – anderswo kaum vorstellbar ist. So konnten sich die VIPs der Art Berlin per Shuttle zu jenen Projekträumen bringen lassen, in denen die Finalisten des alternativen ArtPrize ausstellen. Die Fahrer elektrisch betriebener Luxuswagen fuhren also nach Wedding oder Neukölln, wo Projekträume unter prekärsten Bedingungen die Kunst von morgen zeigen. Das klingt so schräg wie cool – und zählt genau zu jenen Allianzen, für die man diese Stadt liebt. Christiane Meixner

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