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Burlesk. Die post-koloniale Essaykomödie „Who Invented the YoYo? Who invented the Moon Buggy“.

© Kidlat Tahimik

Filmreihe im Zeughauskino: Wie ausländische Filmemacher Ost und West sahen

Durchreisende: Das Zeughauskino zeigt Werke ausländischer Regisseure, die einen besonderen Blick auf das geteilte Deutschland erlauben.

Die Titelsequenz von „They Call It Love“ besteht aus einer langen Einstellung auf einen Münchner Straßenzug. Aus der Tiefe das Raumes nähert sich William Donald Powell, unterlegt ist die Szene mit dem Bluesstück “Rainy Night in Georgia”. Regisseur King Ampaw findet eine entspannte, episodische Erzählweise für den Alltag des jungen Musikers, der sich in den späten Sechzigern zwischen Live-Auftritten in einer GI-Bar und zwei Affären, zwischen Plattenladen und Musikstudio durch München bewegt. Knarzende Dielen und die brokatene Muster des einfachen Untermietzimmers, wie auch die modernistische Villa mit Jägerzaun des jovialen Plattenladenbesitzers erzählen von einer muffigen Gesellschaft, die sich ostentativ modern gibt. Mit wenigen Dialogen entwirft der Film subtil gezeichnete Begegnungen und Atmosphären. Sie nennen es Liebe: die Konsumverhältnisse sind offensichtlich, die coole schwarze Musik gilt als Hipnessgewinn. Zum Schluß wieder eine lange Einstellung: die Band hört auf zu spielen, langsam verlässt das Publikum den Raum. It’s alright.

„They Call It Love“ ist ein Höhepunkt der Filmreihe “In deutscher Gesellschaft: Passagen-Werke ausländischer Filmemacher*innen”, die ab Freitag im Zeughauskino läuft. Sie stellt ein heterogenes Bild von Filmen aus Ost und West zwischen 1962 und 1992 vor, die einen besonderen und gelegentlich spezifisch differenten Blick auf die beiden deutschen Gesellschaften werfen. Ampaw zum Beispiel stammt aus Ghana, er studierte in den sechziger Jahren an der Filmhochschule München, in deren Archiv sein Film jahrzehntelang herumlag. Gemein ist den Filmemacherinnen und Filmemachern der Reihe, dass sie eher eine en passant Perspektive auf die Gesellschaft haben, statt die eigene Fremdheit zu artikulierten.

Die Filmschulen in Ost- und Westberlin sowie in München, die über die Jahre ein gar nicht mal so geringer Anteil ausländischer Studierender absolvierten, aber auch das Berliner DAAD-Stipendium waren instrumental für diesen kulturellen Austausch. Doch es gab auch Einzelfälle wie den Kieferchirurgen Tunç Okan, der die meisten seiner Filme selbst produzierte. Er ist vertreten mit der charmanten Farçe „Otobüs“ (1975) über eine Gruppe auf dem Stockholmer Innenstadtplatz gestrandeter Migranten. Dank mühseliger Recherchearbeit der Kuratoren Tilmann Baumgärtel und Tobias Hering konnten diese Filme aus dem kinematographischen Niemandsland geborgen werden.

Wie schreibt sich eine diasporische Filmgeschichte?

Kinematographien sind trotz vielfältiger Anstrengungen immer noch weitgehend national aufgestellt. Die fortwährenden transnationalen Arbeitsbiografien und Kollaborationen, die bei einem so kollektiven Medium wie dem Film wirken, finden eher selten Eintritt in den Kanon. Wenn aber freiwillige und unfreiwillige Wanderbewegungen in allen Gesellschaften schon längstens alltäglich sind, wie schreibt sich dann eine diasporische Filmgeschichte? Und wer pflegt ein transnationales Filmerbe?

Bei manchen Filmemacherinnen und Filmemachern dauerten Durchreise und Aufenthalt etwas länger. Als Gäste trugen sie ihre Beobachtungen mit zugespitzter Empfindlichkeit in die hiesige Gesellschaft hinein, wie es die jugoslawische Autorin und Filmemacherin Irena Vrkljan formulierte. Sie untersucht und kommentiert mit dem Kameramann Michael Ballhaus in „Widmung an ein Haus“ (1966) ein prunkvolles Abriss-Haus in der Potsdamer Straße. Der amerikanische Experimentalfilmer Ernie Gehr hat während seines DAAD-Stipendiums mit „This side of paradise“ (1989/1991) die Spiegelungen in den Pfützen auf dem sogenannten Polenmarkt am Potsdamer Platz dokumentiert, wo sich schon Anfang 1989 zeigte, dass der “Eiserne Vorhang” löchriger wurde.

Funkelnde Solitäre

Viele Filme blieben funkelnde Solitäre, manche Grundlagen einer langen - gelegentlich auch gebrochenen - Karriere anderenorts. Oder sie wurden wie im Fall des rigorosen Filmemachers Sohrab Shahid Saless zum Geheimtipp. Saless hatte den Iran 1967 verlassen und 15 Jahre in Deutschland gearbeitet, oft mit Fernsehsendern – zu einer Zeit, als es dort noch großzügige Redakteure gab. Von ihm laufen zwei Filme im Zeughauskino. “Die langen Ferien der Lotte H. Eisner“ (1979) ist eine Begegnung mit der Emigrantin und langjährigen Cinémathèque-française-Mitarbeiterin, die seine Filme besonders schätzte. Aber auch Saless kostete es außerordentliche Anstrengungen, die von der Mehrheitsgesellschaft verlangte Selbst-Ethnifizierung zu unterlaufen. „Ich bin mittlerweile frech geworden, indem ich ‚deutsche Filme’ zu machen versuche“, sagte er einmal.

Ein solcher Film ist „Wechselbalg“ (1987), in dem eine möglicherweise gar nicht so wohlmeinende Adoption zunehmend misslingt. Das trotzige Mädchen und die überkompensierende Adoptivmutter verhaken sich ineinander in einer kümmerlichen paranoiden Kleinfamilienkapsel, der Gewaltausbruch bereitet sich in bodenloser Latenz vor. 1987 ist die deutsche Gesellschaft immer noch deutlich weniger offen und frei, als sie sein möchte. Und sie fühlt sich beklommen darin.

Ganz anders die burleske, post-koloniale Essaykomödie „Who Invented the YoYo? Who invented the Moon Buggy“ (1978/82) des philippinischen Regisseurs Kidlat Tahimik, der 1977 mit „Der parfümierte Alptraum“ einen Überraschungserfolg bei der Berlinale feierte. Sein genuin vagabundisches Kino war selbstreflektiert genug, um zu wissen, wie weit es seiner Zeit voraus war. Den Moon-Buggy-Film beginnt Tahimik mit einem üppigen Jodel-Soundtrack, er involviert Kinder und Hühner auf einem bayrischen Bauernhof in fröhlichen Gerümpel-Futurismus, mit dem sich sein thirld world spectacle schließlich in den Weltraum aufschwingt. Um kulturellen Austausch geht es auch hier allemal.

31.8-20.9 im Zeughauskino

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