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Kim Ki-duk ist ein Wegbereiter des südkoreanischen Films.

© picture alliance / Britta Pedersen

Filmregisseur Kim Ki-duk gestorben: Ein Meister der Grausamkeit

Es ist sein Verdienst, dass der südkoreanische Film auch im Westen ein Publikum fand. Zum Tod des Regisseurs Kim Ki-duk.

In diesem Jahr erlebte der weltweite Siegeszug des koreanischen Kinos wohl seinen vorläufigen Höhepunkt: Bong Joon-hos Drama „Parasite“ gewann, neben weit über 250 Film- und Festivalpreisen, auch den Oscar für den besten Film des Jahres – als erste fremdsprachige Produktion in der Geschichte der Academy Awards überhaupt.

Wahrscheinlich wäre es ohne Kim Ki-duk nie so weit gekommen. Seit Jahrzehnten galt der Regisseur als zentrale Figur des internationalen Autorenkinos, als Wegbereiter und Innovator des südkoreanischen Films. Am vergangenen Freitag ist Kim wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag überraschend in Riga gestorben.

Kim Ki-duk wurde 1960 in Bonghwa geboren, einem abgelegenen Landkreis im Norden Südkoreas, der für sein kaltes Klima bekannt ist. Und von Kälte war auch seine von Armut geprägte Kindheit gezeichnet. „Mein Vater ist ein Korea-Kriegsveteran“, erzählte Kim einmal. „Ich wurde sehr militärisch aufgezogen. Schläge gehörten zur Tagesordnung. Ich spüre den Schmerz nicht mehr.“ Der Vater war es auch, der ihm verbot die weiterführende Schule zu besuchen, weswegen Kim bereits mit 15 Jahren in Seoul in einer Fabrik arbeiten musste. Nach Jahren im Militär und einem Priesterseminar begann er zu malen und ging schließlich im Alter von 30 Jahren für ein Kunststudium nach Frankreich. Dort verdiente er sich als Straßenkünstler seinen Unterhalt – und entdeckte seine Liebe zum Film.

Sexuelle Devianz und Gewalt waren bestimmenden Motive im Werk

Zurück in der Heimat gewann er 1995 einen Drehbuch-Wettbewerb. Schon bei seinem Regiedebüt „Crocodile“ über einen Obdachlosen, der Selbstmörder aus einem Fluss fischt und ihre Leichen an deren Familien verkauft, überschlug sich die Filmkritik in Südkorea mit positiven Besprechungen.

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Sexuelle Devianz und Gewalt sollten die bestimmenden Motive in Kims Leben und Werk bleiben. Als Autodidakt erschuf er in über 20 Filmen Bilderwelten und dialektische Geschichten, die zwischen bunt leuchtender Zartheit und finsterer Brutalität changieren. „Die Gewalt in meinen Filmen hat nichts Provozierendes“, erklärte Kim Ki-duk. „Es geht mir dabei um eine Art von Magie. Um die Beziehung zwischen zwei Menschen, um die Magie der Liebe oder der Zuneigung, die allein in der Gewalt ihr adäquates Ausdrucksmittel findet.“

Auch sein internationaler Durchbruch, „Seom – Die Insel“, der beim Sundance Film Festival 2001 mit dem „World Cinema Award“ ausgezeichnet wurde, lebt von seinen zwei kommunikativ gestörten Protagonisten. Es ist ein kühnes Liebesdrama über das Verhältnis einer geheimnisvollen Schönheit und eines geflohenen Mörders, die die Sprache der Grausamkeit verbindet. Bei den Filmfestspielen in Venedig soll es auf Grund der extrem beklemmenden Gewalt- und Sexszenen während der Vorführung zu Ohnmachtsanfällen im Publikum gekommen sein.

Ihm wurde eine latent frauenfeindliche Einstellung nachsagt

2004 wurde Kim Ki-duks Drama „Samaria“ auf der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet. 2011 folgten mit dem Dokumentarfilm „Arirang“ die in Einsamkeit aufgenommenen „Bekenntnisse eines Filmemachers“, mit denen Kim seine künstlerische Krise und eine daraus resultierende schwere Depression verarbeitete. In Cannes erhielt er dafür den den Hauptpreis in der Nebensektion „Un Certain Regard“. Der Höhepunkt seiner Karriere folgte ein Jahr darauf in Venedig: Für seinen kapitalismuskritischen Spielfilm „Pieta“ über einen skrupellosen Schuldeneintreiber, der von seiner vermeintlichen Mutter geläutert wird, gewann er 2012 als erster koreanischer Filmemacher den Goldenen Löwen.

Kontrovers diskutiert wurden allerdings nicht nur seine Filme. In seinem Heimatland hatte Kim stets den Ruf eines Außenseiters, dem man eine latent frauenfeindliche Einstellung nachsagte. 2017 wurden im Zuge der #MeToo-Bewegung Vorwürfe laut, er habe Schauspielerinnen vergewaltigt und zu ungeplanten Sexszenen gezwungen. Zu einer juristischen Verurteilung kam es aus Mangel an Beweisen nie. Trotz der Vorwürfe war Kim Ki-duk 2018 zur Berlinale eingeladen worden, wo er im Panorama mit „Human, Space, Time, and Human“ eines seiner letzten Werke vorstellte. Seine Anwesenheit auf dem roten Teppich führte zu Protesten in Südkorea. Vielleicht war es das öffentliche Urteil, das ihn zu einem Umzug nach Lettland bewegte. In Riga starb er nun in einem Krankenhaus an den Folgen einer Covid-19-Infektion.

„Ich sehe etwas, das ich nicht verstehe, und mache einen Film darüber, um es zu begreifen“, versuchte Kim einmal seine Arbeit zu umreißen. Er selbst hingegen wird nun als brillanter, aber rätselhafter Filmemacher in Erinnerung bleiben.

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