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Läuft - eher nicht so bei denen. Scarlett Johansson und Adam Driver spielen Noah Baumbachs unglückliche „Marriage Story“.

© Festival

Filmfestspiele in Venedig: Adam Driver geht auf Ego-Trip und Brad Pitt fliegt ins All

Der zweite Tag beim Filmfest gilt den Vätern. Adam Driver kreist als Papa um seine Nabelschnur - und Brad Pitt auf der Suche nach seinem Erzeuger um den Neptun.

Von Andreas Busche

Man kann Adam Driver einfach nicht böse sein. Immer steht er mit seiner alles überragenden Gestalt ungelenk in der Gegend herum. Seine physische Präsenz winkt einem schon von weitem „Star“ entgegen, aber meist guckt Driver, als wäre er auf der Straße gerade seinem altem Schulbully in die Arme gelaufen. Man möchte diesen „Everybody’s Everyman“ sofort zum neuen „Star Wars“-Bösewicht machen (okay, bereits geschehen) – oder eben wie der amerikanische Regisseur Noah Baumbach in „Marriage Story“ zu seinem Film-Alter-Ego.

Was zufällig auch den Vorteil hat, dass Venedig-Chef Alberto Barbera die Netflix-Produktion an den Lido laden kann, trotz anhaltender Proteste das mächtigen Verbandes International Union of Cinemas, der die Veröffentlichungspolitik des Streamingproduzenten kritisiert. Aber, hey, Adam Driver kommt zur Party, da möchte niemand den Spielverderber geben.

Netflix-Kritik gehört ohnehin zum Grundrauschen. Adam Driver kann man übrigens auch ganz hervorragend den egoistischen Papa verzeihen, der sich lieber um seine Karriere als Theaterregisseur kümmert. Und nicht um Sohn und Frau Nicole (Scarlett Johansson), die ihre Schauspielkarriere für die Familie aufgegeben hat.

Schwer zu sagen, wie viel Autobiografisches aus Baumbachs geschiedener Ehe mit Jennifer Jason Leigh in „Marriage Story“ steckt. Doch so viel Wahrhaftigkeit über die Ambivalenzen der Elternschaft und des vermeintlichen Familienglücks sieht man im Kino nur selten in so schmerzhafter Feinarbeit. Katrin Gebbe hat am Vortag in „Pelikanblut“ den Liebeskampf aus Mutter-Perspektive geschildert. Am zweiten Festivaltag stehen nun die Väter im Mittelpunkt.

Baumbach war schon immer ein Komödienregisseur mit einer herben Lakonie, was ihm bei seinem Scheidungsdrama durchaus entgegen kommt. Eine der spitzesten Tiraden überhaupt spricht darin Laura Dern als Nicoles Anwältin: Es geht, grob gesagt, um die Jungfrau Maria und überflüssige Väter, die nicht mal mehr zur Zeugung benötigt werden. Das sitzt. Barberas goldenes Händchen könnte „Marriage Story“ zu einem heißen Oscar-Kandidaten machen, auch Netflix hat schon eingelenkt, was einen offiziellen Kinostart angeht. Der alte Brooklyner Baumbach scheint sich in seiner Zweitheimat Los Angeles immer besser einzuleben.

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Deutlich weiter reisen muss Brad Pitt in James Grays epischem Weltraumtrip „Ad Astra“, um seinen Vater zu finden. Nämlich bis zu den Ringen des Neptuns, von wo aus eine Reihe elektromagnetischer Stürme alles Leben auf der Erde bedrohen. Hier endeten 20 Jahre zuvor die letzten Funksignale des Vaters (Tommy Lee Jones), einer Astronautenlegende, die in den Tiefen der Galaxie mit seiner Crew intelligentes Leben aufspüren sollte.

In jüngster Zeit hat man wieder verstärkt Anlass zur Hoffnung, dass sich auch in der Science Fiction irgendwo zwischen Superhelden und Spezialeffektgewittern noch intelligentes Leben versteckt. Gray, ohnehin mit einer Arthouse-Sensibilität gesegnet, versucht sich eher an der spirituell-philosophischen Introspektion, die seinen einsamen Weltraumfahrer, ähnlich wie Matthew McConaughey in „Interstellar“, erst im deep space zu sich selbst und seiner eigenen Biografie finden lässt.

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Den Hang zum männlichen Selbstmitleid, zur Härte gegen sich selbst (in der die Frauen selbstverständlich nur emotionales Beiwerk sind), teilt Pitts fortwährend monologisierende Figur mit Ryan Goslings Neil Armstrong aus dem letztjährigen Venedig-Film „First Man“. Aber an „Starkino“ ist Gray nur insofern interessiert, als er den schwermütigen Heldenkörper vor dem Sternenhintergrund bloß mit der Schwärze des Alls verschmelzen will.

Selbst die einzige Actionszene opfert er der Schwerelosigkeit. Der Weltraum ist in „Ad Astra“ eher ein Zustand, kein Ort, der zur Kolonisierung taugt. Das US-Autorenkino wirkt an diesen ersten Tagen am Hollywood-verwöhnten Lido aufgeweckter denn je.

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