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Sophie Marceau in „Everything Went Fine“ von François Ozon.

© Carole Bethuel/Mandarin Production/Foz

Filmfestival von Cannes: Sophie Marceau glänzt im neuen Film von François Ozon

François Ozons sensibles Sterbehilfedrama „Everything Went Fine“ und Joanna Hoggs „The Souvenir 2“ mit Tilda und Honor Swinton. Das Cannes-Tagebuch, Teil 2.

Von Andreas Busche

„Es geht gerade ein Virus um, nichts Schlimmes; das ist in einer Woche wieder weg.“ Der Satz in François Ozons „Everything Went Fine“ ist ein billiger Drehbuchwitz, aber er verfehlt seine Wirkung nicht.

Einige im Publikum lachen hinter ihren Masken, etwas impulsiv, auch unsicher. Manchmal verraten die plattesten Witz am meisten über den Menschen. Am dritten Tag des Festivals hat man sich noch immer nicht an die Corona-Richtlinien gewöhnt, an die Ansagen, bitte auch während der Vorführung Masken zu tragen.

Nach einem Schlaganfall ist der Vater gelähmt

Der Kinosaal beklemmt: der Mund-Nase-Schutz, die Enge, dazu die stickige Luft trotz Klimaanlage. Auch auf der Croisette brummt das Leben anders als in den Vorjahren. Weniger Cannes-Tourist:innen zwängen sich durch die Straßen, „Suche Karten“- Schilder sind bislang eher die Ausnahme. Im Gegenteil: Am Abend versucht ein Mann, seine Tickets loszuwerden.

Das Virus, das sich Sophie Marceaus Emmanuèle in „Everything Went Fine“ eingefangen hat, erweist sich dann doch nur als Grippe, Ozons Film spielt in einer Realität ohne Pandemie. Dennoch handelt er vom Tod. Mit 85 hat Vater André (André Dussollier) einen Schlaganfall erlitten, der ihn lähmt.

Nach einem erfüllten Leben ist er bereit zu sterben, seine beiden Töchter Emmanuèle und Pascale (Géraldine Pailhas) sollen ihn in seinem Wunsch unterstützen. Das klingt nach einem typischen Sterbehilfedrama, aber Ozon findet darin eine sehr persönliche Geschichte und verbindet sie mit seiner cinephilen Sensibilität.

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Marceau und Alain-Resnais-Darsteller Dussollier entstammen unterschiedlichen Epochen des französischen Kinos, solche Details machen aus „Everything Went Fine“ wieder einen echten Ozon. Das Gefühl der Vertrautheit stellt sich in seinen Filmen weniger durch Kunstfertigkeit ein, sondern durch stilistische Souveränität und die Liebe zu seinen Darsteller:innen.

Für Sophie Marceau könnte „Everything Went Fine“ einen ähnlichen Schritt bedeuten wie vor zwanzig Jahren Ozons „Unter dem Sand“ für die nahezu vergessene Charlotte Rampling (hier in der Rolle der Mutter). Damals hat Emmanuèle Bernheim ihm beim Drehbuch über eine einsame Frau, die sich in Zwiegespräche mit ihrem verstorbenen Mann flüchtet, geholfen. Nun verewigt Ozon die Erinnerungen an ihren Vater im Kino.

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„Hast Du versucht, das Offensichtliche zu vermeiden?“, wird auch in Joanna Hoggs „The Souvenir 2“ die junge Filmemacherin Julie (Honor Swinton Byrne) gefragt. Und wie Ozon beantwortet Hogg die Frage entschieden mit nein.

Ihr Film, der Tilda und Honor Swinton erneut als Mutter-Tochter vor der Kamera vereint, ist kein bloßes Sequel, eher eine Spiegelerzählung. Der erste Film erzählt 2019 von einer toxischen Liebesbeziehung in den achtziger Jahren, an der die empfindsame Julie nach dem Tod des Partners fast zerbricht.

Das Sequel nimmt nun ihre Perspektive ein: Sie will den Verlust mit einem Film aufarbeiten, baut sogar die gemeinsame Wohnung als Kulisse nach. Doch sie muss auf schmerzhafte Weise lernen, dass sie die Leerstellen ihrer Beziehung nicht mit den Erinnerungen und Bildern eines anderen Menschen füllen kann.

Tilda Swinton, die Hogg schon als Filmstudentin kannte, erzählt nach der Vorführung in der Reihe Quinzaine des Réalisateurs, dass ein Film für sie wie eine Familie funktionieren müsse; ein Allgemeinplatz, ja. Aber „The Souvenir 2“ vermittelt diese Intimität, durch kleine Missverständnisse beim Essen oder die Scherben einer Karaffe. So einfach darf das Kino manchmal sein. Nur eben niemals banal.

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