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Matt Damon in „Suburbicon“ von George Clooney.

© Paramount Pictures

Filmfestival Venedig: In der Vorstadthölle

George Clooney erzählt in der Horrorkomödie „Suburbicon“ von den dunklen Seiten des amerikanischen Traums. Das Drehbuch haben die Coen-Brüder geschrieben.

Was macht das politische Kino, wird man als Filmfestbesucherin gerne gefragt, und was ist der neueste Trend? Nun gibt es auf jedem Festival so viele Trends wie Möglichkeiten, sich durchs Programm zu navigieren. In diesem Sinne hier erste Trends der 74. Mostra in Venedig.

Zum einen ist die Welt ziemlich im Eimer. Der selbstverschuldete Klimawandel, an dem etwa Paul Schraders rigoroses Moraldrama „First Reformed“ mit Ethan Hawke als Priester verzweifelt, findet am Lido auch ganz real statt. Apokalypse, immersiv: Nach dem zweiten XXL-Wolkenbruch am Freitag mussten die Galagäste mit gerafften Roben zum Palazzo del Cinema waten, während die Medienvertreter sich nebenan in der Sala Darsena erneut bis auf die Haut durchnässt vor der Leinwand einfanden. So mancher entledigte sich kurzerhand seiner triefenden Beinkleider. Wenn das so weitergeht mit dem Klima, sind Wäscheleinen im Saal angeraten.

Zurück in die fünfziger Jahre

Zweiter Trend: Kluges politisches Kino über besagten Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, Gewalt und Diskriminierung findet sich weniger in Beste-Absichten- Dokus wie Ai Weiweis Flüchtlingsfilm „Human Flow“ als im US-Unterhaltungsgenre. Auf Alexander Paynes Gesundschrumpfungs-Satire „Downsizing“ und Guillermo del Toros Kalte-Kriegs-Romanze „The Shape of Water“ folgte am Samstag George Clooneys Vorstadt-Horrormovie „Suburbicon“, ebenfalls in den fünfziger Jahren angesiedelt. Von der dunklen Seite des amerikanischen Traums lässt sich offenbar derzeit am besten im Rückblick auf die heile Welt der Fifties erzählen.

Gepflegter Rasen, schnittige Autos, wasserstoffblondierte Gattinnen – die USA als Vorstadt wie aus dem Werbeprospekt. Hier leben die Lodges, der Buchhalter Gardner (Matt Damon mit Kassenbrillengestell), Gattin Nancy, die seit einem Autounfall im Rollstuhl sitzt (Julianne Moore), deren Zwillingsschwester Maggie (ebenfalls Julianne Moore) und der kleine Nicky (Noah Jupe). Vorsicht:

Die weißen Vorstadtbürger mutieren zum Mob

Das Drehbuch zu Clooneys sechster Regiearbeit haben die Coen-Brüder geschrieben, die noch jede Bilderbuchidylle genüsslich zerlegen. Nancy kommt bei einem Raubüberfall ums Leben; Nicky begreift noch schneller als der Mann von der Lebensversicherung, dass sein Dad und seine Tante für ihren pursuit of happiness nicht vor Mord zurückschrecken. Während die netten weißen Vorstadtbürger zum Mob mutieren, weil eine afroamerikanische Familie es wagt, in die Nachbarschaft zu ziehen, stapeln sich bei den Lodges die Leichen.

Das Ehepaar Clooney engagiert sich gegen Rassismus

Trumps Amerika als vergnügliche, bitterböse Farce: Die Weißen schotten sich ab und richten sich selber zugrunde. Übertrieben? Nach dem rassistischen Terror von Charlottesville wächst „Suburbicon“ eine erschreckende Aktualität zu. Gerade haben George und Amal Clooney eine Million Dollar an das Southern Poverty Law Center gespendet, eine Organisation, die Informationen über Hassgruppen sammelt und an die Behörden weiterleitet.

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