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Außenseiter im weißen Amerika: Tessa Thompson und LaKeith Stanfield in der Komödie "Sorry to Bother You".

© Universal

Filmfestival "Unknown Pleasures": Amerikanische Independentfilme haben es im Kino schwer

Das Festival "Unknown Pleasures" zeigt die besten US-Indies des vergangenen Jahres. Die Komödie "Sorry to Bother You" ist mit Abstand der seltsamste.

Von Andreas Busche

Man sollte sich hüten, einem Afroamerikaner zu sagen, er hätte eine „weiße“ Stimme. Die wenigsten werden es als Kompliment auffassen – in den seltensten Fällen ist es auch als solches gemeint. Cassius Green (LaKeith Stanfield) hat den Spruch sein Leben lang gehört, genutzt hat es ihm nicht. Er lebt mit Freundin Detroit (Tessa Thompson) in der Garage seines Onkels in einem heruntergekommenen Teil von Oakland, für die Miete reicht sein Telemarketing-Job trotzdem nicht.

Bis ihm der freundliche Senior am Nachbartelefon (Danny Glover) rät, es mal mit seiner „weißen“ Stimme zu versuchen. Kein „Will-Smith-Weiß“, sondern so, als hätte er die ganze Welt schon in der Tasche. Die Stimme, die darauf aus Cassius kommt, klingt zwar eher wie Duffy Duck, aber es hilft. Cassius steigt in der Welt des weißen Mannes zum „Power Caller“ für das ominöse Weltverbesserer-Unternehmen Worryfree des Milliardärs Steve Lift (Armie Hammer) auf. Der Preis: nur seine Seele

Boots Rileys Komödie „Sorry to Bother You“, eine kluger Kommentar auf das Phänomen des passing (schwarze Menschen, die sich entscheiden, als Weiße in der Gesellschaft zu leben) gehört zum besten, mindestens aber zum seltsamsten, was das vergangene Kinojahr hervorgebracht hat. In die deutschen Kinos hat es der Film trotz euphorischer Kritiken in den USA dennoch nicht geschafft. Rileys Regiedebüt ist das Highlight des diesjährigen „Unknown Pleasures“-Festivals, das sich seit elf Jahren verlässlich dem amerikanischen Independentkino verschreibt.

Werkschau der einzigen New-Hollywood-Regisseurin Elaine May

Nach einem heftigen Boom in den Neunzigern, den Miramax-Jahren, hat das US-Indiekino nicht nur hierzulande einen schweren Stand. In den USA laufen Filme wie „Sorry to Bother You“, trotz eines Majorstudios wie Universal im Rücken, nur vereinzelt in den großen Städten, bevor sie auf Streamingportalen verschwinden. Richtige Indiefilme wie Kirill Mikhanovskys Migrantenkomödie „Give me Liberty“, die am heutigen Donnerstag das Festival eröffnet, oder das Dreamer-Drama „En el Séptimo Día“ von Jim Kay, die bei „Unknown Pleasures“ ebenfalls ihre Berlin-Premieren haben, schaffen es oft nur noch auf internationale Festivals. Dabei ist die Bandbreite heute größer denn je.

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„Sorry to Bother You“ (2.1. im Arsenal, 7.1. im Wolf) zeigt, welch irren Blüten das aktuelle US-Indiekino treiben kann. Riley war Mastermind der marxistischen Comedy-Rapgruppe The Coup, entsprechend sampelt sein Kinodebüt die gegensätzlichsten Sounds: von sozialrealistisch über politisch-satirisch bis zu cartoonesk und fantastisch delirant – und nimmt dabei ein paar Wendungen, die die Komödie geradewegs in die Science Fiction manövrieren.

Ein besonderes Lob gebührt dem Festival auch für die kleine Werkschau der einzigen New-Hollywood-Regisseurin Elaine May, deren vier Komödien – zuletzt der viel geschmähte Abenteuerfilm „Isthar“ (1987) mit Warren Beatty und Dustin Hoffman – zu den unterschätzten Juwelen des US-Kinos gehören.
"Unknown Pleasures" läuft vom 1. bis 16. Januar in den Kinos Arsenal und Wolf. Infos: www.unknownpleasures.de

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