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Zeigt am 21. Mai seinen neuesten Film: Quentin Tarantino kommt mit "Once Upon a Time in Hollywood" nach Cannes, auf den Tag genau 25 Jahre nach der Weltpremiere von "Pulp Fiction".

© dpa/Jens Kalaene

Filmfestival Cannes 2019: Glamour mit Stammgästen

Warmlaufen für Cannes: Am Dienstag eröffnet dorft das 72. Filmfestival. Mit Jim Jarmusch, Tarantino und Malick, ohne Netflix und ohne deutsche Palmen-Anwärter. Eine Vorschau.

Und er läuft doch. Quentin Tarantinos Sechziger-Jahre-Film „Once Upon a Time in Hollywood“ gehört zu den meisterwarteten Produktionen des Jahres, und als Festivalchef Thierry Fremaux bei der Vorstellung des Cannes-Programms im April nur versprechen konnte, einen Slot für das Werk freizuhalten, stieg die Spannung erst recht. Tarantino soll wochenlang quasi 24/7 im Schneideraum gesessen haben – er ist fertig geworden.

Nun werden am 21. Mai, exakt 25 Jahre nach der Weltpremiere von Tarantinos heftig umstrittener Gewaltkomödie „Pulp Fiction“ ebenfalls in Cannes, Leonardo DiCaprio und Brad Pitt mit dem Kultregisseur über den roten Teppich laufen. DiCaprio spielt einen abgehalfterten TV-Schauspieler und Brad Pitt sein Stuntdouble, die beiden wollen in Tinseltown Karriere machen. Der Film spielt in der Hippie-Ära der Sixties, vor dem Hintergrund der Morde in der Manson-Family. Margot Robbie verkörpert Sharon Tate, auch Dakota Fanning, Al Pacino und Kurt Russell gehören zum Cast. Festivalchef Thierry Fremaux nennt den Film einen „Liebesbrief an das Hollywood seiner Kindheit, eine Rockmusiktour ins Jahr 1969 und eine Ode an das Kino insgesamt“. Und bei der Pressekonferenz in Cannes wird Tarantino gewiss Fragen nach Harvey Weinstein beantworten müssen: „Once Upon a Time...“ ist seine erste Produktion ohne den mächtigen, wegen MeToo-Anklagen Gericht stehenden Hollywoodmogul.

Was die Starpower betrifft, sucht das 72. Filmfest von Cannes Seinesgleichen. Zwar kann man dem Festival wegen seines anhaltenden Netflix-Boykotts, seines Machismo und dem Selfie-Verbot am roten Teppich vorwerfen, es sei im Gestern steckengeblieben. Aber das Line-Up der inzwischen 21 Palmen-Kandidaten (ebenfalls nachnominiert wurde Abdellatif Kechiches Vier-Stunden-Film „Mektoub, My Love: Intermezzo“ ) liest sich eben doch wie ein Weltspitzenklassentreffen des Autorenkinos. Allein zur Eröffnung mit Jim Jarmuschs Zombie-Komödie „The Dead Don’t Die“ tummeln sich an diesem Dienstag Bill Murray, Tilda Swinton, Iggy Pop und weitere Stars vor dem Festivalpalais. Murray spielt einen Kleinstadtcop, der mit seinem Sohn (Adam Driver) für Ordnung zu sorgen versucht, als die Toten aus den Gräbern steigen.

Ja, Cannes ist ein Festival der Stammgäste: Pedro Almodóvar zeigt „Dolor y Gloria“ mit Antonio Banderas und Penélope Cruz, der zweifach palmenprämierte Ken Loach das Sozialdrama „Sorry We Missed You“ über die Folgen der Finanzkrise für eine einfache Familie. Terrence Malick kommt mit dem Weltkriegsfilm „A Hidden Life“, in dem August Diehl einen NS-Kriegsverweigerer spielt und Bruno Ganz ein letztes Mal zu sehen ist; die Dardenne-Brüder beobachten in „Le jeune Ahmed“ die Radikalisierung eines jungen Moslems. Ira Sachs, eigentlich Berlinale-Stammgast, kommt mit der französisch-amerikanischen Produktion „Frankie““ mit Isabelle Huppert. Und die Jury steht unter Leitung des vierfachen Oscar-Gewinners Alejandro González Iñárritu. Am 25. Mai wird sie ihre Preise verkünden.

Vier Frauen unter 21 Wettbewerbs-Regisseuren: ganz schön wenig

Die Beharrungskräfte (und die Arroganz) sind beachtlich in Cannes. Schauspiellegende Alain Delon wird mit der Ehren-Palme ausgezeichnet, trotz Protesten wegen sexistischer Äußerungen und seiner Nähe zum Front National. Und nur vier Wettbewerbsfilme stammen von Frauen – einer mehr als im Vorjahr. Neben „Little Joe“ von der Österreicherin Jessica Hausner – einem Science-Fiction-Thriller um eine genmanipulierte Pflanze – zählt dazu auch „Atlantiques“ von Mati Diop, die aus afrikanischer Perspektive von Flüchtlingen auf dem Seeweg nach Europa erzählt. Diop ist die erste schwarze Frau überhaupt, die am Palme-Rennen teilnimmt. Eine deutsche Produktion ist wieder nicht dabei, zuletzt war die Bundesrepublik 2017 mit Fatih Akins NSU-Drama "Aus dem Nichts" vertreten.

Cannes, das ist Glamour und Kunst, ergänzt um den weltgrößten Filmmarkt. Während man die Uhr danach stellen kann, dass die beiden aktuellen Netflix-Produktionen von Martin Scorsese („The Irishman“ mit Robert DeNiro und Al Pacino) und Steven Soderbergh („The Laundromat“ mit Meryl Streep und Gary Oldman) in Venedig laufen – genau wie „Roma“ 2018 –, spekuliert die Branche darüber, ob die Streamingdienste in Cannes ähnlich viel Geld ausgeben werden wie im Januar in Sundance. Dort kaufte allein Amazon für 50 Millionen Dollar Filmrechte ein, Netflix war mit zehn Millionen dabei. Und weitere Player wie DisneyPlus oder WarnerMedia sind am Start.
Die Fans auf der Croisette kommen allemal auf ihre Kosten: Auch Elton John und Maradona werden in Cannes erwartet. Und die Gastronomen und Hoteliers dürften wieder an die 200 Millionen Euro verdienen – in nur zwölf Festivaltagen.

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