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Elfi Mikesch in ihrem Archiv.

©  Thilo Rückeis

Filmemacherin Elfi Mikesch wird 80: Fängerin des Lichts

Die Kamerafrau, Regisseurin und Fotografin kam in den 60ern nach Berlin und lebt hier bis heute den Aufbruch. Jetzt feiert Elfi Mikesch ihren 80. Geburtstag.

Poesie, Trash und Naturalismus. Elfi Mikeschs sinnliche Bilder sprechen viele Sprachen. Dem Kapitel „Bildgestaltung“ ihres jüngsten Buches stellt sie den ersten Vers eines Gedichts von Emily Dickinson voran: „There’s a certain slant of light / On winter afternoons / That oppresses, like the weight / Of cathedral tunes.“

Dieses atmosphärische „schräge Licht von Winternachmittagen, das auf uns liegt wie der Gesang in Kathedralen“ ist überall in „Vis-à-vis. Fotografie und Film“ zu finden, dem autobiografischen Foto-Text-Buch, das Elfi Mikesch sich selbst zum 80. Geburtstag an diesem Sonntag schenkt. Begleitet wird es von einer Ausstellung „Catching the Light“ in der Berliner Galerie von Hirschheydt (5. 6.–8. 7., Wielandstr. 31; Mo bis Fr 11–18 Uhr), die einen Querschnitt ihrer fotografischen Arbeiten zeigt.

Biografische Daten, Tagebucheinträge, Erinnerungen, ausgewählte Stillleben, Porträts, Filme, Fotoromane wie „Oh Muvie“ (1969), dessen Comic-Covergirl Mikesch selber malte, lässt die Künstlerin im Buch Revue passieren. Zusammen mit Texten von Weggefährten und Weggefährtinnen ergeben sie eine Werk- und Weltschau, die dem wunderbaren Band „Traum der Dinge“ (2004) ähnelt, der Fotos von 1967 bis 2003 versammelte.

2011 widmete sie ihrem Lebensfreund Werner Schroeter einen Film

Die theatralischen Posen, Unschärfen und expressiven Licht-Schatten-Dramaturgien besonders der Schwarz-Weiß-Porträts schwelgten in einer opernhaften Stummfilmästhetik, die sofort verstehen ließ, was die Filmemacherin, Kamerafrau und Fotografin mit Werner Schroeter verband. Den zählte sie zu ihren Lebensfreunden und widmete ihm 2011 den Dokumentarfilm „Mondo Lux“.

Genauso wie Rosa von Praunheim, der die am 31. Mai 1940 in Judenburg in der Steiermark geborene Fotografin in den 60ern zusammen mit ihrem damaligen Mann, dem Maler Fritz Mikesch, aus dem studentenbewegten Frankfurt am Main nach West-Berlin lockte. Da lebt Elfi Mikesch noch heute, in Schöneberg, zusammen mit ihrer Frau, der Künstlerin Lilly Grote.

Oh, selige Achtziger: No-Budget-Chaos und Selbstreflexion

Einen spaßigen Einblick ins kreative No-Budget-Chaos der West-Berliner Subkultur liefern die Polaroids vom Dreh eines Horrorfilmprojekts 1980 in der Kreuzberger Waldemarstraße. Mikesch kniet am Boden, den Fotoapparat im Anschlag, von Praunheim liegt auf dem Rücken, die Filmkamera im Gesicht, auf dem Asphalt liegen blutige Laken. Und ein Text von Fritz Mikesch skizziert im „Vis-à-vis“-Buch: „Das Todestaxi.

Elfi entführt in einem schwarzen Auto mit Sarg auf dem Dach den jungen, strebsamen FDP-Politiker Peggy (Frank Ripploh), der unterwegs ist, um einen dominanten Dressman zu besuchen.“ Dieser Actionszene folgt die Aufforderung zur Selbstreflexion „Jeder soll über eigene Ängste nachdenken oder über die Frage: was ist m e i n Horror?“ Oh, du selige Achtziger!

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Den Geist jener experimentierfreudigen, von feministischem und homosexuellem Aufbruch geprägten Jahre hat die Kamerafrau Elfi Mikesch in zahlreichen Filmen von Monika Treut beschworen, mit der sie eine Filmproduktionsfirma gründete. Und etliche Filme ihrer Freunde Schroeter und Praunheim ins Bild gesetzt, von „Malina“ bis zu „Härte“.

Mikesch und Praunheim: Gegensätze ziehen sich an

Vor zwei Jahren erst ließ die Ausstellung „Abfallprodukte der Liebe“ in der Akademie der Künste das Trio hochleben. Als man dort die zurückhaltende Mikesch und den Zampano Praunheim in natura und Kunst nebeneinander sah, staunte man mal wieder, dass dieser Kontrast aus Konzentration und Kitsch funktioniert.

Das Geburtstagsbuch beginnt mit ihrer österreichischen Kindheit, die auch Elfi Mikeschs autobiografisch inspirierten Spielfilm „Fieber“ 2016 mit Eva Mattes und Martin Wuttke in den Hauptrollen prägt. Sie ist Kriegskind, ihr Vater dient zehn Jahre als Fremdenlegionär und kehrt seelisch lädiert nach Österreich zurück. In seiner Sammlung exotischer Bilder lauern koloniale Gräuel.

Die Glasnegative waren für sie magische Objekte

Sie sind zugleich Dokument und verrätseltes Faszinosum. Vaters Job als Filmvorführer und sein Fotografieren legen die Saat zum Bilderleben der Tochter. In dem Foto-Atelier, in dem sie in Judenburg ihre Lehre absolvierte, lagerten unzählige Glasnegative aus früher fotografischer Zeit, schreibt Elfi Mikesch.

Dass sie so zerbrechlich waren, machte sie kostbar. „Für mich waren es magische Objekte.“

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